Lokalsport Daryl Homer wird zum Dormagener Alptraum

Dormagen · Matyas Szabo und Max Hartung scheitern am späteren Olympiazweiten und verschärfen damit die Krise des Deutschen Fechterbundes.

Vilmos Szabo muss weiter auf seine erste olympische Medaille als Trainer warten. Wen der Bundestrainer der deutschen Säbelfechter beim nächsten Versuch in vier Jahren in Tokio ins Rennen schicken kann, weiß er noch nicht: "Wir setzen uns nach der Rückkehr aus Rio zusammen und besprechen alles in Ruhe", sagt Olaf Kawald.

Der Fachbereichstrainer Säbel beim Deutschen Fechterbund und Fechtkoordinator beim TSV Bayer Dormagen muss erst einmal die Enttäuschung über das verdauen, was am Mittwochabend in der Carioca Arena 3 in Rio de Janeiro passierte. Dort wurde Daryl Homer zum Alptraum für die Dormagener Säbelfechter. Erst setzte der 26 Jahre alte New Yorker Max Hartung in der Runde der besten 16 mit 15:12 matt, dann schaltete er im Viertelfinale Matyas Szabo mit dem gleichen Ergebnis aus. Anschließend marschierte der US-Amerikaner bis ins Finale, wo er Titelverteidiger Aron Szilagyi (Ungarn) mit 8:15 unterlag.

Nun ist es keine Schande, gegen den aktuellen Vize-Weltmeister und späteren Olympiazweiten zu verlieren. Um so mehr, als Daryl Homer mit seinem unorthodoxen Fechtstil nicht gerade zu den angenehmsten Kontrahenten auf der Planche gehört. Und beide Dormagener trotzdem die Chance auf einen Sieg und damit ein Weiterkommen hatten, was ihnen im Viertelfinale ein vereinsinternes Duell beschert hätte.

Max Hartung führte 4:1, verlor dann den Faden und "bekam nach der Pause keinen Zugriff mehr aufs Gefecht", analysierte Kawald aus der Ferne. Bei Matyas Szabo war es genau umgekehrt: Er verschlief die Anfangsphase völlig, ging mit 2:8 in die Pause und fand erst Zugang zu seinem Gegner, als es schon zu spät war. "So einen Rückstand schleppst du wie einen Rucksack mit dir herum", sagt Kawald. Szabo kam noch einmal bis auf 9:12 heran, drehen konnte er das Gefecht freilich nicht mehr. "Ich habe scheiße angefangen, das rächt sich dann halt hinten 'raus", zeigte sich der 24-Jährige selbstkritisch. Max Hartung hatte dem wenig hinzu zu fügen: "Ich mache jetzt erst mal ein bisschen Pause, heute Abend vielleicht ein Caipirinha. Und dann mal schauen, ob die Welt morgen ein bisschen besser aussieht."

Für den 26-Jährigen, im Vorfeld auch von sich selbst als Anwärter auf eine Medaille gehandelt, bedeutete Rang zehn ein Abrutschen um drei Plätze gegenüber London 2012. Olympia-Debütant Matyas Szabo sorgte mit Platz acht noch für das beste Abschneiden des einst erfolgsverwöhnten, in Rio aber nur mit vier Athleten vertretenen Deutschen Fechterbundes, der erstmals seit dem Olympiaboykott 1980 ohne Medaille blieb. "Wer ganz oben ist und dann tief fällt, der wird ganz anders wahrgenommen", umschreibt dessen Sportdirektor Sven Ressel den Niedergang. Der sich freilich schon lange vor Rio abzeichnete. "Vielleicht ist es deshalb ganz gut, dass die Krise jetzt so augenfällig eskaliert ist", sagt Kawald.

Der dafür zwei Gründe als ausschlaggebend ansieht. Der eine ist hausgemacht: "Wir haben ein massives Verbandsproblem", sagt der Fachbereichstrainer Säbel und meint die langdauernden Querelen im Vorstand des Fechterbundes, die zwischenzeitlich zum Rücktritt von Präsident und Vize-Präsident Leistungssport führten. Jetzt soll es Claudia Bokel richten. "Sie ist eine Frau vom Fach. Grundsätzlich würde das dem Fechten gut tun", sagt Sportdirektor Ressel über die 42-Jährige, die 2001 Weltmeisterin und 2004 Olympiazweite mit der Degenmannschaft wurde und zuletzt Vorsitzende der Athletenkommission des IOC war.

Der zweite Grund dürfte nicht so leicht zu beheben sein: "Wir können einfach nicht mithalten mit anderen Nationen. Die haben Profi-Fechter", sagt Matyas Szabo, "ich muss studieren und versuchen, irgendwas aus meinem Leben zu machen, wenn ich fertig bin hiermit." Ressel sieht es ähnlich: "Wir können so nicht mehr konkurrenzfähig sein. Wir brauchen Fechter, die rundum trainieren - und parallel die Möglichkeit haben, über einen längeren Zeitraum ihre Ausbildung zu machen."

In Dormagen versuchen sie diesen Spagat, deshalb werden Hartung, Szabo und der nicht für Rio qualifizierte Europameister Benedikt Wagner in der nach-olympischen Saison kürzer treten und sich aufs Studium konzentrieren. Szabo und Wagner sind eindeutige Kandidaten für Tokio, ob Hartung bis 2020 weitermacht, scheint offen. "Er entscheidet oft sehr emotional", weiß Kawald. Der aber mit einem schwerwiegenderen Problem zu kämpfen hat: der Finanzierung der Trainer. Denn ohne Medaillen droht den Fechtern eine Kürzung der Finanzmittel. "Wenn wir noch weniger Mittel bekommen, werden wir noch weniger konkurrenzfähig sein", fürchtet Ressel. "Da muss in Deutschland viel passieren, um den Sport wieder auf ein anderes Niveau zu heben - nicht nur im Fechten", sagt Max Hartung.

(NGZ)
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