Lokalsport 110 Sekunden fehlen zum Handballwunder

Dormagen · Das 30:32 nach 17:12-Pausenführung gegen Tabellenführer Erlangen könnte für Dormagen schon das "Aus" im Abstiegskampf bedeuten.

 Sie stemmen sich mit aller Macht gegen den Abstieg: Hier bekommt Erlangens Kreisläufer Jonas Thümmler zu spüren, dass die Dormagener Johnny Eisenkrätzer, Björn Marquardt und Alexander Kübler (v.r.) keineswegs gewillt sind, sich kampflos ihrem Schicksal zu ergeben.

Sie stemmen sich mit aller Macht gegen den Abstieg: Hier bekommt Erlangens Kreisläufer Jonas Thümmler zu spüren, dass die Dormagener Johnny Eisenkrätzer, Björn Marquardt und Alexander Kübler (v.r.) keineswegs gewillt sind, sich kampflos ihrem Schicksal zu ergeben.

Foto: Heinz J. Zaunbrecher

Es hätte das Handballwunder werden können, dass der TSV Bayer Dormagen im Kampf um den Verbleib in der Zweiten Bundesliga so dringend braucht, doch am Ende fehlten 110 Sekunden zur Sensation.

Genau so lange war nämlich noch zu spielen vor 945 Zuschauern im Bayer-Sportcenter, als der bereits als Erstliga-Aufsteiger feststehende HC Erlangen zum ersten Mal in Führung ging in dieser von den Voraussetzungen her höchst ungleichen, auf dem Parkett aber mindestens auf Augenhöhe geführten Auseinandersetzung mit dem Tabellenvorletzten. Am Ende rettete sich der Spitzenreiter mit einem 32:30-Sieg nach 12:17-Pausenrückstand noch gerade so vor der Blamage - und stößt die verzweifelt kämpfenden Hausherren so gut wie in die Dritte Liga.

Denn weil gleichzeitig die Konkurrenz aus Hagen und Saarlouis punktete, reichen den Dormagenern unter Umständen nicht einmal drei Siege aus den verbleibenden drei Spielen zum Klassenerhalt. Die in der Form und mit der Einstellung, die die Bayer-Handballer am Samstagabend an den Tag legten, jedoch kein Ding der Unmöglichkeit sind.

Schließlich musste Erlangens Trainer Robert Andersson alle taktischen Register bis hin zur doppelten Manndeckung (gegen den mit elf Toren überragenden Alexander Feld und den sieben Mal erfolgreichen J-Gerrit Genz) ziehen, um der drohenden vierten Saisonniederlage zu entgehen. Der Schwede, von 1992 bis '95 in Dormagen als Spieler aktiv, war freilich fair genug, zuzugeben, dass dies nicht allein das Produkt seiner individuell überlegenen Schützlinge war: "Wir hatten in den letzten fünf Minuten das Glück, das du hast, wenn du oben stehst", sagte Andersson, "auch bei einigen Schiedsrichterentscheidungen."

Das war fein beobachtet und feinsinnig formuliert. In der Tat griffen die Schiedsrichter Hendrik Buttke und Marc Clausing massiv ins Spielgeschehen ein. 45 Minuten lang unterliefen dem Duo aus dem niedersächsischen Lemförde kaum Schnitzer, in Zweifelsfällen entschied es sogar ab und an zuungunsten des Favoriten. Doch dann dämmerte es den gerade mal 23 und 25 Jahre alten Unparteiischen wohl, dass ihr Name in Zusammenhang mit einer der größten Sensationen dieser Zweitliga-Saison gebracht werden könnte - und sie änderten ihren Kurs radikal. "Nachdem Erlangen auf doppelte Manndeckung umgestellt hat, fehlte ihnen die Übersicht, weil sie einfach falsch zum Spielgeschehen postiert waren", bemängelte Dormagens Sportlicher Leiter Erik Wudtke. Und Interimstrainer Tobias Plaz befand nicht zu Unrecht: "In den letzten fünf Minuten gab es keinen einzigen Pfiff für uns." Entscheidend die umstrittene Zeitstrafe für Alexander Feld vier Minuten vor Spielende, als die Hausherren noch mit 30:29 vorne liegen. Und entscheidend die ausbleibenden Pfiffe, als sowohl Sebastian Damm als auch Sergio Muggli bei ihren finalen Würfen gestoßen werden - beide Male pariert Mario Huhnstock, beide Male leitet der Erlanger Keeper einen Gegenzug ein, der zum 31:30 durch Neu-Nationalspieler Nikolai Link und zum 32:30 durch Oliver Hess führt. Beide Male wäre zumindest Freiwurf und mithin Ballbesitz für Dormagen angemessen gewesen.

Doch die Bayer-Verantwortlichen suchten die Schuld nicht (allein) bei den Unparteiischen: "Wir haben eine fast perfekte erste Halbzeit gespielt", sagte Plaz mit Blick auf die 17:12-Pausenführung, "dass wir dieses Niveau nicht bis zum Schluss halten können, war abzusehen." In Wuttkes Augen waren die Minuten nach Wiederbeginn entscheidend, in denen sich seine Schützlinge auf einen offenen Schlagabtausch einließen: In 165 Sekunden fielen da insgesamt acht Tore, davon fünf für die Gäste. "Da sind die zu schnell 'rangekommen", sagte Wuttke.

Die Folge: Nach 38 Minuten war der Vorsprung auf 20:18 geschmolzen. Es spricht für den TSV und seine Moral, dass er ihn wieder auf 22:18 (40.) ausbaute. Und auch als Nikolai Link den ersten Ausgleich erzielte (23:23, 46.) kämpften sich die Dormagener wieder in Vorlage (25:23, 48.), führten nach 27:27 noch einmal mit 29:27 (54.). Doch das waren Kraftakte - und die Kraft fehlte am Ende, um die Erlanger und das Duo aus Lemförde zu bezwingen.

(NGZ)
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