Rhein-Kreis Neuss Auf der Suche nach einem Weg aus der Gewalt

Rhein-Kreis Neuss · Die Frauenberatungsstelle in Neuss feiert ihr 35-jähriges Bestehen. Das Team besteht aus sieben Mitarbeiterinnen.

35 Jahre Frauenberatungsstelle; 35 Jahre Arbeit mit Frauen, die geschlagen, gedemütigt, schlicht: Opfer von Gewalt wurden; 35 Jahre, in denen die Ansprechpartnerinnen auch immer wieder gegen Ohnmachtsgefühle kämpfen müssen?

Janne Gronen ist seit 2000 Geschäftsführerin der Institution, die 1978 vom Verein "Frauen helfen Frauen" gegründet wurde, wirkt aber ob der scheinbar nie endenden Probleme alles andere als müde.

Rund 800 Frauen nutzen die Frauenberatungsstelle jährlich, weil sie zu Hause misshandelt werden. In 35 Jahren macht das 28.000. Und das ist nur die offizielle Zahl, die Dunkelziffer liegt weit höher, so dass sie nicht mal zu schätzen ist.

Denn immer noch ist es für viele Frauen ein Tabubruch, über ihre Probleme zu reden und damit auch sich - und häufig den eigenen (Ehe-)Mann - preiszugeben. "Manchmal braucht es viele Jahre, bis eine Frau es schafft", sagt Gronen und denkt dabei an eine 70-Jährige, die es nach 50 Jahren an der Seite eines gewalttätigen Mannes schaffte, sich von ihm zu lösen.

Andererseits kommen viele Frauen immer wieder in die Beratungsstelle und kehren doch wieder zu ihrem Peiniger zurück: "Längst nicht jede Frau, die Gewalt erlebt, will sich auch trennen. Sie will einfach nur, dass die Gewalt aufhört." In den vergangenen Jahren haben Gronen und ihre Kolleginnen jedoch gelernt, "dass wir nicht alle Frauen retten können. Aber es macht Freude zu sehen, wenn eine Frau nach diversen Gesprächen mit uns ihren Weg gefunden hat."

Dieses Gemeinsam-einen-Weg-suchen ist es auch, was sie und ihre Kolleginnen motiviert. Als Gronen 1989 bei der Frauenberatungsstelle anfing, lief das noch unter "Arbeitsbeschaffungsmaßnahme" (ABM), heute werden der Institution viereinviertel Stellen finanziert, davon werden drei vom Land NRW und ein eineinviertel vom Rhein-Kreis bezahlt.

"Nach den Silvesterereignissen in Köln hat das Land den Zuschuss noch mal aufgestockt", sagt Gronen. Ganz bewusst wurde die davon neu geschaffene Stelle zu "Sexualisierter Gewalt" aufgeteilt und mit zwei jungen Kolleginnen besetzt, erzählt die 62-jährige Neusserin weiter und ergänzt lächelnd: "Wir anderen sind ja schon ein bisschen älter."

Mit diesem Stellenvolumen könnten sie vieles anstoßen, gibt Gronen zu, und freut sich, dass seit kurzem einmal die Woche eine Kollegin Beratungsstunden in Dormagen anbieten kann, oder von den jährlich fließenden 300.000 Euro Präventionsprojekte in Schulen finanziert werden.

Junge Frauen und Mädchen stark machen, Lehrer gewinnen, noch aufmerksamer zu werden - das gehört für sie zu den wichtigen Zielen ihrer Arbeit. Grundsätzlich, so sagt sie auch, habe sich in diesen Jahren aber schon viel zum Positiven geändert: "Vor allem in der Gesetzeslage. Vergewaltigung in der Ehe ist seit 1997 strafbar, und das Gewaltschutzgesetz ermöglicht es Polizisten, Verweisungen an Gewalttäter auszusprechen statt nur ,eheliche Zwistigkeiten' konstatieren zu müssen."

Die Frauenberatungsstelle ist zwar ein reiner Schutzraum für Frauen, aber Männer lassen Gronen und ihre Kolleginnen nicht grundsätzlich außen vor. Und so durften auch diese beim Empfang zum 35-Jährigen mitfeiern.

(hbm)
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