Remscheid Wie Kunst zum Überlebensmittel wird

Remscheid · Die neue Central.Galerie am Zentralpunkt zeigt Arbeiten von vier bekannten Wuppertaler Künstlern.

 Der Wuppertaler Künstler Peter Klassen vor einigen seiner Bilder in der Central.Galerie im Südbezirk.

Der Wuppertaler Künstler Peter Klassen vor einigen seiner Bilder in der Central.Galerie im Südbezirk.

Foto: Nico Hertgen

Freundlich blickt Hans Reichel durch seine runden Brillengläser. An seiner linken Schläfe klebt eine blaue Blüte. Das Erinnerungsbild an den 2011 in Wuppertal verstorbenen Designer, Schriftenmacher, Musiker und Erfinder eines Musikinstruments, des Daxophons, hat Peter Klassen auf eine große Offsettdruckplatte gemalt. So erinnert er an die Ausstellung, die die Stadtsparkasse Wuppertal vor drei Jahren für Hans Reichel durchführte. Sein Bild und viele andere, die Klassen auf die Offset-Druckplatten für den Katalog zur Reichel-Ausstellung malte, erinnern aber auch an das Erinnern selbst, das aus Vergessenem, also durch Übermalung unkenntlich gemachtem, überlagerten und geöffneten Überschichtungen sichtbar wird.

Wie Hans Reichel ist auch Peter Klassen ein Künstler, der in vielen Bereichen arbeitet, sozusagen "zwischen den Medien", zwischen Druck, Malerei und Musik. Dazu Filmemacher. Drei seiner Filme sind mit seinen Bildern in der Ausstellung "Überlebensmittel" in der neuen Remscheider Galerie Central.Galerie zu sehen, zu der Klaus Küster vier befreundete Wuppertaler Künstler eingeladen hat. Zu ihnen gehört der bekannte Bildhauer und Maler Georg Janthur. Er zeigt skurrile, immer farbenprächtig bemalte monumentlisierte Alltagsfragmente: Ein hellgrüner Flaschenhals mit seinem orangenen Kronkorken wirkt wie eine surreale Pflanze. Eine Kaktusblüte aus aufeinanderfolgenden Keimblättern wird zu einem Stapel wackelig aufgestellter Schalen. Fragmentierung, Vergrößerung, Farbigkeit verfremden das Vertraute, Gewohnte. Die aus ihren Sockeln herauswachsenden Blüten und Früchte wirken vor allem durch ihre wie mitgrobem Beil herausgehauenen Formen - lebendig und fantastisch zugleich. Janthurs Malerei korrespondiert mit den Skulpturen, man sieht diese in der Fläche dreidimensional illusioniert und als konkrete Raumkörper, ein lebhaftes Formenspiel entsteht. Ältester Künstler der Gruppe ist Bodo Berheide. Er war Student bei Joseph Beuys und arbeitet plastische Objekte aus monochrom gefärbtem Pappmaché. In Remscheid zeigt er vor allem graue Hasen, gegossen aus in liebenswerter Weise an Beuys Hasen-Themen. Die grauen Häschen, mit ihrer zerfurchten Oberfläche hocken vor mit grobem Strich grundierten Leinwänden, diese wiederum stehen auf Stelzen - hintergründig und humorvoll sind diese Installationen und Reliefs.

Als vierter kommt Christian Ischebeck hinzu, 1968 in Gevelsberg geboren. Nur auf den ersten Blick wirken seine Gemälde wie Erinnerungen an das Informel der 1950er Jahre. Schaut man länger in diese dichten Farbräume aus Linien, Flecken und Schichtungen, dann sind immer neue Entdeckungen zu machen. Bildzitate, wie Munchs "Schrei", Wortfragmente, Figuren stellen sich allmählich heraus - eine Bildwelt, die sich beim Hin-Sehen erschließt. Kunstwerke sind unverzichtbare "Überlebensmittel" - da sind sich Klaus Küster und die vier fantasievollen Wuppertaler einig. Zustimmung! Tüten mit diesen Notwendigkeiten gibt es bei der Eröffnung für Euro 9,99 zu kaufen.

(gsm)
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