Remscheid Wenn Mick Jagger plötzlich eine Frau ist

Remscheid · Der berühmtesten Rockgruppe der Welt huldigte ein Musical im Teo Otto Theater auf ganz eigene Art.

 Seit wann haben die Stones eine Sängerin? Nur einer der Kunstgriffe in der Inszenierung von Tankred Schleinschock.

Seit wann haben die Stones eine Sängerin? Nur einer der Kunstgriffe in der Inszenierung von Tankred Schleinschock.

Foto: Jürgen Moll

Der Auftakt klang gut. In der "Voodoo's Lounge" griff ein von Weitem via Stirnband nicht unähnlich aussehender Keith Richard (Matthias Fleige) breitbeinig in die Saiten seiner schwarzen Gitarre Telecaster Custom: Der Anfangsriff von "Jumpin' Jack Flash" ertönte. Astrein, rotzig-stimmig und authentisch.

Dem kurzen klammheimlichen Jubel ("Die Stones sind da!") folgte breite Ernüchterung. Claus Michael Siodmok als Sologitarrist (Mick Taylor, Ron Wood) versteckte sich hinter einem Notenständer und spielte die originalgetreuen Soli fantastisch, aber vom Blatt! Nicht einmal seine Gitarre war zu erkennen. Welche spielte er? Gibson Es 335 oder Les Paul Standard oder eine blonde Telecaster? Ja wie geht das denn? Stones mit Notenständer auf der Bühne? Unmöglich!

Schneller konnte die "Lippe-Saiten-Band" des Westfälisches Landestheaters die Euphorie der Fans im Teo Otto Theater nicht plattmachen. Dieser Boden der Tatsachen zeigte: Es sind jedes Mal die eigenen Erwartungen, die einem die Enttäuschung ins Gesicht fräsen. Wäre es möglich gewesen, die eigenen erfahrungsgeschwängerten Erinnerungen fantastischer Stones-Live-Konzerte (1982 Müngersdorfer Stadion, 1990 Parkstadion) einfach zu vergessen, wäre diese "Rolling Stones Show" ein großartiges Konzert gewesen. Eigentlich war es ja klar: Der Weg nach Remscheid war nicht der Weg zum heimlichen Club-Konzert der Stones im Henry-Fonda-Theatre in Los Angeles (2015) - es war eine Show über die Stones und kein Konzert der Stones.

Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Hier spätestens, als kein Mick Jagger-Imitat mit ähnlich rotziger Stimme "Let's Spend The Night Together" schmetterte, sondern mehrere Sänger und Sängerinnen sich die Songs teilten. War einem das irgendwann mal klar geworden (spätestens nach "Time Is On My Side", gesungen von einem Mädel), kam der Spaß an der Show doch noch auf.

Vor allen Dingen, wenn Regisseur Tankred Schleinschock sein eigenes Ding machte mit den Muppet Show-Kommentatoren Statler und Waldorf, die englische Queen als heimlicher Fan von Keith Richard entblätterte und erlebte Geschichten deutscher Fans erzählen ließ. Dann wurden die Stones lebendig und das wirkte. Zwei Mädels gelangten mit gefälschtem Presseausweis in den Backstage-Bereich und blieben ungeküsst, erzählte glaubwürdig eine Schauspielerin. Und dann stimmte sie ganz alleine "Ruby Tuesday" an - Szenenapplaus. Nach der Pause ließ der Wahnsinns-Riff von "Start Me Up" (mit Feuerstößen wie in Oberhausen) noch einmal richtige Gänsehaut entstehen. "Beast of Burden" wie von Bette Middler gesungen fachte noch einmal das Fan-Feuer an. Und so konnten alle am Ende "You Can't Always Get What You Want" mitsingen. Wie wahr.

(RP)
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