Analyse Vorfahrt für die Bedürfnisse der Bürger

Remscheid · Der Umbau des Friedrich-Ebert-Platzes ist der Startschuss für eine Belebung der Innenstadt. Er bietet viele Chancen. Planer und Politiker brauchen den Mut zum Ungewöhnlichen, damit es nicht wieder eine architektonisches Desaster gibt.

Remscheid bewegt sich. Eine solche Entwicklung hat es lange nicht mehr in dieser Stadt gegeben, die in so vielen Bereichen urbanen Lebens seit Jahren wie abgehängt wirkt, und sich dennoch voller pessimistischer Zuversicht in der Dauerkrise behauptet. Ein Blick auf die wichtigen Bauaktivitäten zeigt, dass die Stadt aufpoliert wird. Ein Aufbruch in eine neue Zukunft ist spürbar. In eine Zukunft, die lebendiger, bunter und anspruchsvoller ist als das fleckige Betongrau, das einen von überall anstrahlt. Noch ist vieles ungewiss, aber vielversprechend.

Das Designer Outlet-Center mit all seinen Folgen für Verkehr, Altstadt und Tourismus wird deutlich in die Atmosphäre von Remscheids selbstbewusstem Stadtteils eingreifen. Der aktuelle Umbau des Hertie-Gebäudes ist ein erster Beweis, dass überfällige Veränderung gelingen kann. Baukräne stehen am Hauptbahnhof. Dort kommt ein Multiplexkino hin, so dass es absehbar ist, dass der Remscheider für einen Kinobesuch bald nicht mehr in die Nachbarstädte fahren muss. Nicht zu vergessen sind die Großprojekte Berufskolleg am Bahnhof, der Neubau des Berufsbildungszentrums an der Neuenkamper Straße sowie die Investitionen von Vaillant in ein neues Forschungszentrum am Falkenberg. Und nun konkretisiert sich auch der Umbau des Friedrich-Ebertplatzes. Er bildet den Startschuss für die "Revitalisierung der Innenstadt", wie es die Stadtplaner nennen. Sie haben die komplexe wie anspruchsvolle Aufgabe, das Zentrum wieder bürgerfreundlich zu gestalten.

Im Mittelpunkt aller lobenswerten Initiativen sollten immer die Bedürfnisse der Remscheider stehen. Diese Bedürfnisse sind gut zu beschreiben. Der Besucher möchte sich stets in der Umgebung wohlfühlen, und die architektonische Gestaltung soll deutlich signalisieren, dass er jederzeit willkommen ist auf diesem Platz im Herzen der der Stadt. Diese vielleicht etwas blumig-weiche Formulierung hat ganz praktische Konsequenzen. Heute bestimmen Busse und breite Straßen das Aufenthaltsklima. Wer diesen Platz quert, muss stets nach rechts und links schauen, ob nicht ein Bus oder ein Auto kommt. Die Leute eilen durchs Zentrum und sind meistens froh, wenn sie irgendwie unbeschadet im Allee-Center oder auf der Allee-Straße angekommen sind, wo sie entspannter des Weges gehen können.

Die neuen Pläne für den Ebertplatz deuten an, dass dort mehr Rücksicht auf Fußgänger genommen wird. Die Architekten weisen mehr von Bussen ungestörte Aufenthaltsfläche aus. Aber die ersten Entwürfe zeigen auch, dass dort ein großes Areal entsteht, zugepflastert mit Steinen oder Platten. Dem ersten Anschein nach setzen sich bisher drei Kriterien durch: Funktionalität, Pflegeaufwand, Kosten. Die Vertreter der Stadtwerke schauen in erster Linie darauf, dass der neue Platz die Anforderungen an den Busverkehr erfüllen wird. Das ist nachvollziehbar. Aber es wäre schade, wenn die funktionale Perspektive auf den Platz die dominierende bleibt. Der Busverkehr hat dienende Funktion. Er sollte sich dem Wohlfühlmodus der Besucher unterordnen. Da können häufig Kleinigkeiten wie Bepflanzung, Linienführung, Farbigkeit entscheidende Wirkung erzielen. Auf die Planer und Politiker kommt jede Menge Arbeit zu. Das braucht Zeit und Geld. Und Mut. Mut zum Ungewöhnlichen.

Die Erneuerung des Ebertplatzes soll einen Impuls geben für Veränderung der gesamten Innenstadt. Das ist jedenfalls zu hoffen. Jeder Remscheider weiß, dass die untere Alleestraße seit Jahren ein Ort ist, dessen Charakterisierung mit "atmosphärischem Desaster" höflich umschrieben ist. Zwar hört man von schönhalsigen Investitionsplänen. Pläne gab es bereits viele. Der Verfall ging und geht rasant weiter. Doch wenn nicht jetzt, wann dann soll es dort einen (letzten) Anlauf zur Erneuerung geben? Was diesmal nicht mehr passieren darf, sind solche Planungskatastrophen, wie sie vor Jahren am Hauptbahnhof und am Markt passiert sind. Das wäre ein Schlag ins Gesicht für alle, die sich wünschen, dass Remscheid um ein paar hässliche Ecken ärmer wird.

(RP)
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