Remscheid Vermisst!

Remscheid · Rund 2000 Menschen werden jährlich im bergischen Städtedreieck als vermisst gemeldet. Fast alle tauchen wieder auf, die meisten bereits nach wenigen Stunden. Häufig startet die Polizei aufwendige Suchaktionen. Nur sehr wenige werden tot aufgefunden, es gibt aber auch Vermisste, die für immer verschwinden.

 Leonie G., Remscheid, vermisst seit dem 22. Juli 2016

Leonie G., Remscheid, vermisst seit dem 22. Juli 2016

Foto: Polizei Wuppertal

Vermisstenmeldungen gehören für die Beamten der Polizei-Leitstelle in Wuppertal zur täglichen Routine. Etwa 2000 solcher Hilferufe gehen dort im Jahr ein. Die meisten erledigen sich in kurzer Zeit, berichtet Polizeisprecher Stefan Weiand, der lange selbst in der Leitstelle eingesetzt war.

So etwa der Hilferuf von Eltern einer Zweijährigen aus Remscheid, die sich am frühen Morgen unbemerkt von den noch schlafenden Eltern zum Haus der Oma auf den Weg gemacht hatte, das sich auf derselben Straße befindet. Passanten entdeckten das Kind auf der Straße und riefen die Polizei, die es den verdutzten Eltern zurückbrachte.

Doch nicht immer läuft es so glimpflich ab. Weiterhin ungeklärt ist, wo sich Leonie G. derzeit aufhält. Die 16-Jährige Remscheiderin ist seit dem 22. Juli vermisst gemeldet. Die Hinweise auf Leonie sind widersprüchlich. Verschiedenen Zeugen zufolge hat ein Freund aus Frankfurt sie abgeholt, soll sie in ein rotes Auto mit Kölner Kennzeichen gestiegen sein, wurde sie später noch in Hückeswagen in einem Supermarkt und in einer Eisdiele gesehen. Unklar bleibt, ob sie freiwillig verschwand oder nicht. Das Mädchen soll nach Angaben der Angehörigen über Facebook auch Kontakte zu fremden Männern gehabt haben.

Vom Alter passt Leonie in die Kategorie "Jugendliche Ausreißer", also Jugendliche in der Pubertät, die ihrem Zuhause den Rücken kehren, sich davonmachen, ohne sich abzumelden. "Oft sind es junge Mädchen, die Kontakte im Internet haben und ihre große Liebe treffen wollen", berichtet Polizeisprecher Weiand. Manche von ihnen würden nach wenigen Tagen aufgegriffen, andere kehrten zurück, weil ihnen das Geld ausging. "Es kann aber auch Wochen und Monate dauern", so Weiand.

Was die Wuppertalerin Tanja Mühlinghaus bewegte, als sie mit einigen Schulsachen am Morgen des 21. Oktober 1998 das elterliche Haus in der Straße Im Hölken verließ, um mit dem Bus in die Schule zu fahren, bleibt bis heute rätselhaft. Sicher ist: Die damals 15-Jährige Gymnasiastin kehrte nicht zurück. Kurz zuvor hatte Tanja noch bei ihrer Mutter im Büro angerufen und sie gebeten, sie von der Schule abzuholen, es war möglicherweise das letzte Lebenszeichen. Mysteriös waren zwei handgeschriebene Briefe von Tanja, die ihre Eltern per Post am 22. und 26. Oktober 1998 erreichten. Darin teilte das Mädchen mit, dass es ihm gut gehe und dass es nach ein paar Wochen zurückkehren wolle. Untersuchungen des LKA ergaben, dass die Briefe von Tanja geschrieben und zugeklebt wurden. Bis heute fehlt von ihr jede Spur.

Das gilt auch für Anett Carolin Kaiser aus Solingen. Sie hatte sich an einem schönen Spätsommertag, am Freitag, 26. August 2011, gut gelaunt in einen blauen, ausgemusterten THW-Transporter gesetzt, und wollte auf eine weite Reise gehen. Ihr Ziel: die Stadt Jerez de la Fontera in Südspanien. Dort wollte sie, die gerne Trödel sammelte, einige Sachen abholen. "Zum Zöppkesmarkt bin ich wieder da", hatte sie einer Freundin versprochen. Seither ist die Solingerin verschwunden. Ein Fernsehbericht in der Sendung "Aktenzeichen XY ungelöst" brachte 30 Hinweise auf die Frau, eine heiße Spur wurde daraus aber nicht.

Jeder Vermisstenfall ist anders, und doch gibt es Ähnlichkeiten, nach denen die Polizei auch ihr Alarmsystem ausrichtet. Wie wahrscheinlich ist es, dass der Vermisste bald zurückkehrt? Ist Gefahr im Verzug? "Eine kalte Nacht kann für Vermisste tödlich sein", sagt Weiand. Nicht selten kommen Anrufe aus Altenheimen und aus Krankenhäusern. Verwirrte alte Menschen machen sich im Bademantel und auf Pantoffeln auf den Weg ebenso wie Menschen mit Diagnosen, die ihnen wenig Hoffnung lassen.

Je nach Dringlichkeit des Falles gestaltet die Polizei den Aufwand beim Such- und Rettungsszenario. Hundertschaften schwärmen aus und formieren sich zu Suchketten im Wald oder im Gelände, Polizeihubschrauber steigen auf, Hunde, sogenannte "Mantrailer", werden an die Leine genommen, Öffentlichkeitsfahndungen an die Presse gegeben.

Meistens geht es gut aus. Die Zahl derer, die nicht gefunden werden, ist gering. "Von den etwa 2000 Vermissten im Jahr kommen vielleicht drei oder vier nicht zurück", schätzt Weiand.

(bu)
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