Remscheid Teufelsgeiger in weißen Turnschuhen

Remscheid · Mihalj Kekenj zeigte beim Prokofjew-Abend der Bergischen Symphoniker eine bestechende Leistung.

 Blieb auch in wilden Passagen cool: Mihalj Kekenj.

Blieb auch in wilden Passagen cool: Mihalj Kekenj.

Foto: Jürgen mOll

Man mag es sich gar nicht vorstellen: In der kommenden Spielzeit im Teo Otto Theater hätte, rein statistisch gesehen, dieses wundervolle 9. Philharmonische Konzert der Bergischen Symphoniker gar nicht stattgefunden. Würde es doch zu dem gestrichenen Drittel der Aufführungen gehören, die den Sparmaßnahmen zum Opfer fallen werden. Was für ein Verlust das wäre, wurde schon bei den ersten Tönen des Abends klar. Im Mittelpunkt stand die Musik des wohl wichtigsten und herausragendsten russischen Komponisten Sergei Prokofjew, dem unter der etwas provokanten Überschrift "Keine Angst vor Prokofjew" der ganze Abend gewidmet war. Eine kluge, gute und, nicht zuletzt, musikalisch erfüllende Entscheidung.

Und Angst? Nun, die hatte keiner, weder die gut 250 Zuhörer - die waren begeistert und zeigten das durch langanhaltenden Applaus -, noch die Symphoniker unter dem großartigen Gast-Dirigat des US-Amerikaners Fawzi Haimor, der sich erwiesenermaßen mit zeitgenössischer Musik bestens auskennt und die gut aufgelegten Symphoniker traumwandlerisch sicher durch die teils märchenhaft-zerbrechliche, teils dissonant-schräge Klanglyrik Prokofjews führte.

Drei Werke des Komponisten standen auf dem Programm, im Zentrum das grandiose Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 in D-Dur. Als sanfte Hinführung zu diesem Herkules-Werk, bei dem sich Konzertmeister Mihalj Kekenj ein kleines Denkmal setzte, gab es zu Beginn fünf kurze Teile aus Prokofjews vorletztem Ballett "Cinderella", das genauso zu begeistern wusste wie die Orchestersuite zu Shakespeares wohl bekanntestem Werk "Romeo und Julia". Auch dazu hatte Prokofjew ein Ballettwerk geschrieben, das er dann in drei Orchestersuiten zusammengefasst hatte. Beim Konzert wurde eine geraffte Handlungszusammenfassung gegeben, an deren Ende zwar "Julias Tod" stand, der aber eben einfach zum Weinen schön war.

Davor kam allerdings Kekenj. In weißen Turnschuhe und mit heraushängendem schwarzen Hemd gab der junge Musiker, der sonst am ersten Geigerpult sitzt, den Teufelsgeiger. Und er hatte in den drei furiosen Sätzen einiges zu tun, denn schließlich gehört Prokofjews Violinkonzert zu den Erste-Liga-Werken für Solisten. Dabei wirkte er selbst bei den fantastischsten Läufen und mehrstimmigen Passagen wie eine abgeklärte Mischung aus Stahlarbeiter und Stoiker.

Und selbst wenn er vor allem im zweiten Satz eine Virtuosität an den Tag legte, die für staunende Gesichter im Publikum sorgte, wirkte Kekenj kaum angestrengt. Das Violinkonzert ist mit seinen technischen Kabinettstückchen ein echtes Brillierstück für den Solisten: Flageolet, komplizierte Bogen-Pizzicato-Wechsel und schwindelerregende Läufe - Kekenj meisterte sie alle auf eindrucksvollste Weise. Entsprechend enthusiastisch war sein Applaus. Und Angst? Noch immer keine Spur davon.

(RP)
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