Schwimmen Zuckerhut statt Waterbölles

Remscheid · Ausbildungsbeginn, Trainingslager, Pressetermine - seit Hannes Schürmann für die Paralympics in Rio de Janeiro nachnominiert wurde, jagt ein Termin den anderen.

Schwimmen: Zuckerhut statt Waterbölles
Foto: dpa

Andere nutzen den Sommer für die Ferien, für Ausspannen, Chillen, Müßiggang. Hannes Schürmann ringt dagegen im Moment um jede kleine Verschnaufpause. Einkleidung, Trainingslager, Pressetermine - seit der 18-jährige Remscheider von Bundestrainerin Ute Schinkitz erfahren hat, dass er mit zu den Paralympics nach Rio de Janeiro fährt, ist er im Dauerstress. Und so ganz nebenbei begann der Schwimmer der SG Bayer am Mittwoch auch noch seine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement.

"Ja, bei mir ist im Moment ganz schön viel los", sagt Schürmann, als wir ihn wenigstens am Telefon erreichen. Da absolviert er gerade ein Trainingslager in Duisburg. Zahllose weitere Einheiten stehen in Leverkusen und Wuppertal noch bevor, ehe das Flugzeug am 31. August mit dem deutschen Team abhebt Richtung Brasilien. Verabschiedet von Bundespräsident Joachim Gauck. "Den habe ich bisher noch nicht getroffen", sagt Schürmann, als würde es dafür nun aber auch allerhöchste Zeit.

Vieles ist für den jungen Remscheider neu, seit die Bundestrainerin Anfang August bei ihm anrief. "Sie hat es dreimal versucht, aber ich war beim Training in der Schwimmoper in Wuppertal und konnte nicht rangehen", erinnert sich Schürmann an den denkwürdigen Tag. Als er schließlich aus dem Schwimm-Tempel kam und die Anrufe sah, hatte er bereits einen Verdacht, denn er wusste, dass für den verletzten Sebastian Iwanow ein Schwimmer nachrücken sollte. Schinkitz' Wahl fiel auf ihn.

 Am kommenden Mittwoch startet für Hannes Schürmann das Abenteuer der Paralympics in Rio de Janeiro.

Am kommenden Mittwoch startet für Hannes Schürmann das Abenteuer der Paralympics in Rio de Janeiro.

Foto: hertgen

"Ich freue mich riesig", sagt der 18-Jährige, der im Vorfeld die Qualifikationsnorm verpasst hatte. "Für ihn ist das wie ein Sechser im Lotto", freute sich auch Vater Stephan Schürmann über die Nominierung für den Kader, den der Deutsche Behindertensportverband (DBS) in seiner Funktion als Nationales Paralympisches Komitee nach Rio beordert.

Schürmann verhehlt allerdings nicht, dass er gerne auf den Umweg der Nachnominierung verzichtet hätte: "Lieber wäre ich natürlich die Norm geschwommen. Ein bisschen enttäuscht war ich schon, dass ich es nicht aus eigener Kraft geschafft habe." Nun profitiert er vom Pech Iwanows. Zwar stand zunächst im Raum, den verletzten Leverkusener trotzdem mitzunehmen. Schließlich entschied man sich aber doch für Schürmann als Nachwuchsschwimmer mit einer guten Zukunftsperspektive: "Ich soll in Rio Erfahrung sammeln, aber natürlich auch so gut es geht schwimmen."

Das klappte zuletzt sehr ordentlich. Auf der Hatz nach der Paralympics-Norm schien Schürmann zu verkrampfen und blieb teils weit unter seinen Möglichkeiten. "Im Training lief es danach wieder deutlich besser", sagt der Remscheider, der in dieser Phase sogar "ein bisschen Erleichterung" verspürte, die nun wieder etwas der Anspannung gewichen ist: "Ich habe zwar keinen Druck, möchte mich aber gut präsentieren", erklärt Schürmann, der dennoch "möglichst locker" die vermutlich sechs Rennen in Rio angehen will, denn: "Ich habe ja jetzt nichts mehr zu verlieren."

Die gut zwei Wochen in der brasilianischen Metropole möchte der 18-Jährige auch abseits der eigenen Starts genießen. Ob beim Sightseeing ("wenn dafür Zeit ist") oder im Olympic Aquatics Stadium, wenn die Teamkollegen schwimmen und Anfeuerung gebrauchen können.

Ob er sich nach seiner Nominierung die Olympischen Spiele im Fernsehen mit anderen Augen angesehen hat? Schürmann ist verblüffend ehrlich: "Wenn ich nicht selber für Rio nachnominiert worden wäre, hätte vielleicht gar nicht geschaut. Dann wäre der Schmerz, eine große Chance verpasst zu haben, vielleicht zu groß gewesen."

(RP)
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