Leichtathletik Energie aufsaugen und Natur-Doping mit der Goji-Beere

Remscheid · In der dritten Folge des BM-Countdowns gibt der Mediziner Dr. Stephan Biesenbach fünf Ratschläge für die letzten Tage vor dem Start.

 Pflichtprogramm auf den langen Strecken: Der Anstieg aus der Altstadt, vorbei am Röntgen-Museum.

Pflichtprogramm auf den langen Strecken: Der Anstieg aus der Altstadt, vorbei am Röntgen-Museum.

Foto: Hertgen

Der Mann ist Mediziner und Ausdauersportler durch und durch. Außerdem gehört der Unfallchirurg und Sportarzt Dr. Stephan Biesenbach beim Remscheider Marathon-Projekt "Gesundheit plus" gemeinsam mit Dr. Volker Peinke, Dr. Helmut Cuntze, Prof. Dr. Herbert Löllgen und Dr. Frank Neveling zum Stab der sportmedizinischen Begleitung. Also genau der Richtige in der BM-Vorschaureihe zum Röntgenlauf, um auch Anfängern kurz vor der 15. Auflage des Röntgenlaufs Tipps und Kniffe für die letzten Meter bis zum Start (und darüber hinaus) zu verraten.

Mein Training ist ausgefallen - alles verloren?

Biesenbach Ein Trainingsausfall in den letzten vier Wochen vor dem Start macht mehr dem Kopf als den Beinen Probleme. Wer über sechs Monate eine geregelte Vorbereitung absolviert hat, kann selbstbewusst an die Startlinie gehen. Viel ungünstiger ist die spontane Tendenz, vermeintlichen Trainingsausfall dranzuhängen, um die gewünschte finale Formverbesserung zu erreichen. Insbesondere dann, wenn der Ausfall einem Infekt geschuldet war. Da heißt es: Cool bleiben, dem Körper vertrauen, die letzten Läufe genießen und ein Ausgleichstraining einstreuen. Auch die Regeneration nach längeren Läufen beansprucht Platz im Trainingsalltag.

Die Aufregung vor dem Start - Fluch oder Segen?

Biesenbach Der Körper interpretiert die bevorstehende "Marathonaufgabe" als Stress. Das sympathische Nervensystem stellt sich auf Angriff oder Flucht ein. Kein Wunder also, dass an der Startlinie der Puls bei denjenigen, die nicht regelmäßig Wettkampfsituationen suchen, deutlich höher liegt als im Alltag. Das ist kein Grund zur Sorge. Der Läufer sollte die ersten fünf bis zehn Minuten nutzen, um seinen Rhythmus zu finden - ohne sich von der Start-Hatz anstecken zu lassen. Ganz anders verhält es sich, wenn zwei Wochen vor dem Wettkampf die Herzfrequenz unerwartet nach oben abweicht. Das kann eine Alarmreaktion des Körpers sein. Kratzen im Hals? Abgeschlagen und müde? Ist die Körpertemperatur erhöht? Dann: Achtung! Trainingsbelastung runterfahren, zum Hausarzt gehen und Infekt ausschließen. Mein Tipp: viel Trinken. Hagebutte und Sanddorn liefern hohe Dosen an Vitamin C. Weizenkleie, Paranüsse und getrocknete Goji-Beeren sind ebenfalls legales "Naturdoping" für das Immunsystem. Wer frühzeitig richtig reagiert, kann vielleicht einen drohenden Infekt noch kurieren. Auf keinen Fall mit Fieber oder unter Einnahme von zum Beispiel Antibiotika Training und Wettkampf in Angriff nehmen.

¹ Den "Tag X" genießen und aufmerksam sein!

Biesenbach Die Energie im Startpulk, die kleinen Nebelschwaden der Atemluft, letzte aufmunternde Zurufe von Freunden und Familie sorgen beim Röntgenlauf für eine Art "Stampede-Atmosphäre". Das sollte man bewusst aufsaugen und eine Vorfreude darauf entwickeln, um die erarbeitete Energie rauszulassen. Dabei sollten die Sportler sich selbst, aber auch den Mitläufern, der Natur und den bekannten und unbekannten Gesichtern an der Strecke Aufmerksamkeit schenken. Innere Freude über jeden absolvierten Kilometer ist ausdrücklich erlaubt. Der Gedanke daran, wer und was Dich an der Ziellinie erwartet, auch. Da darf man sich dann ruhig mal selbst auf die Schulter klopfen. Der Wert liegt im bewussten Tun, nicht im gefesselten Blick auf die Puls- und Stoppuhr.

¼ Energiekrise - was tun?

Biesenbach Es ist nicht zu erwarten, dass bei Belastungen zwischen 90 und 120 Minuten besondere Energiedefizite auftreten, wenn man ein paar Dinge beachtet. Der Kohlenhydratspeicher sollte gut gefüllt sein. Die Pastaparty am Samstagabend ist zumindest als Ritual wertvoll. Viel wichtiger: am Wettkampftag bis zwei Stunden vor dem Start ein leicht verdauliches Frühstück einnehmen. 30 Minuten vor dem Start gibt es noch einen Energieriegel. Der sollte etwa 60 Prozent Kohlenhydrate, 30 Prozent Eiweiß und 10 Prozent Fett enthalten. Entsprechende Fruchtriegel aus dem Reformhaus oder Fitnessriegel sollten vorher ausprobiert werden. Eine Hälfte des Riegels kann man auch nach 90 Minuten (während der Belastung) verzehren - für das Finish, wenn es auf Stunde zwei zugeht. Der ein oder andere Schluck Wasser dazu - am besten in langsamem Tempo - macht die Aufnahme leichter. Die flotten Läufer werden beim Halbmarathon kaum Zeit für Essen oder Trinken verschwenden, aber zum Beispiel für die Ultras ist Energiezufuhr ein entscheidender Erfolgsfaktor.

¾ Schatz, wie steht mir das?

Biesenbach Die Frage nach der richtigen Lauf- und Wettkampfbekleidung ist nicht einfach zu beantworten. Sie hängt neben individuellen Vorlieben vom Geschlecht, der Temperatur, Wind, Witterung und Tempo ab. Beim Röntgenlauf kann von mild und sonnig bis hin zu nasskalten Windböen alles möglich sein. Die etwas langsameren Läufer auf der Halbmarathonstrecke werden sicher bei Temperaturen um 5° Celsius von einem atmungsaktiven langarmigen Funktionsshirt und einer Mikrofaser-Windweste profitieren. Eine dünne Lauffunktions-Tight (gegebenenfalls knielang) deckt eine relativ große Bandbreite (0° bis 10°) ab. Die flotten Wettkämpfer haben sicher ihre eigene Philosophie und rennen meist in kurzem Dress. Wichtig: Das Frösteln am Start ist normal. Beim Laufen wird einem warm und der Schweiß will weg von der Haut. Also heißt das Motto: Nicht luftdicht verpacken, sondern funktionell und atmungsaktiv. Zur Kopfbedeckung können "Funktionsschläuchen" (z. B. Buff) dienen. Im Winter wird dann Wärmeverlust über den Kopf vermieden, der Hals gewärmt und der Schweiß von den Augen ferngehalten. Über Schuhe lässt sich stundenlang philosophieren. Wichtig: Man muss mit dem Schuh vertraut sein, er muss ausreichend Halt bieten und den Läufer auch auf rutschigem Untergrund sichern.

(HS)
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