Remscheid Flüchtlinge als "Chance für die Wirtschaft"

Remscheid · Wirtschaftsminister Gabriel besuchte das Remscheider Ausbildungszentrum der Industrie. Er fordert, dass die Flüchtlingshilfe nicht zu Lasten der Unterstützung heimischer Arbeitskräfte geht.

 Eine Röntgen-Büste für den Minister - BZI-Chef Michael Hagemann, Sigmar Gabriel, Claus Widmer vom Maschinenbauer Spinner und Ausbilder Gerhard Peter (v. l.)

Eine Röntgen-Büste für den Minister - BZI-Chef Michael Hagemann, Sigmar Gabriel, Claus Widmer vom Maschinenbauer Spinner und Ausbilder Gerhard Peter (v. l.)

Foto: N. Hertgen

Der computergesteuerte Roboterarm, der zur Abwechslung mal keine Werkzeugteile herstellt, sondern fachgerecht eine Bratwurst auf den Grill legt, sie in einzelne Teile zerstückelt und dann mundgerecht mit roter Soße begießt und mit Curry pulvert, begegnete dem Wirtschaftsminister nur im Vorübergehen. Zum Essen der Currywurst blieb ihm keine Zeit, denn der Besuch im Berufsausbildungszentrum der Industrie (BIZ) war nur eine von vier Stationen in NRW, die Sigmar Gabriel an diesem Tag noch vor sich hatte.

So konzentrierte er sich auf die Werkzeugmaschinen der Firma Spinner und einen 3D-Laserdrucker, der computergesteuert und akribisch innerhalb von 42 Stunden eine Plastik-Büste von Konrad Röntgen nachformte. Viel Zeit zum Gespräch mit den Ausbildern Gerhard Peter und Murat Callar blieb nicht, denn im Vortragsraum wartete der IHK-Vorsitzende Thomas Meyer mit etwa 50 Vertretern der bergischen Wirtschaft und Politik auf wegweisende Worte des Ministers.

Meyer, BZI-Geschäftsführer Michael Hagemann und deren Berliner Gast waren sich schnell einig: Die zugewanderten Flüchtlinge sind eine Chance für die an akutem Fachkräftemangel leidende Industrie. Meyer sieht das sogar in doppelter Hinsicht: Zunächst profitiere die deutsche Industrie, dann das Herkunftsland, wenn die Flüchtlinge mit einer guten Ausbildung in es zurückkehrten. Und: "Rückkehrer werden nicht vergessen, wo sie ausgebildet wurden. Das wird uns als Exportland zugutekommen", so der IHK- Vorsitzende.

Für eine Eingliederung der Neuankömmlinge in Ausbildung und Beruf sei besonders die Sprachschulung wichtig, betonte Gabriel. Deshalb werde die Bundesregierung die Investitionen für die Sprachentwicklung der Flüchtlinge erhöhen. "Und wir müssen wissen, was sie können." Gabriel sprach allerdings von einem "großen Experiment" und einer "Zehnjahres-Aufgabe", die Flüchtlinge in die Arbeitswelt zu integrieren. "Manche, die zu uns kommen, sind Analphabeten und denken kulturell anders, doch wir sind ein anstrengendes Land, produktiv und hocheffizient." Indirekt gestand Gabriel Fehler in der Flüchtlingspolitik ein und versprach Besserung. "Das Chaos ist was, womit wir nicht umgehen können, doch jetzt ist Chaos." Strikte Registrierung, das Aushändigen von Flüchtlingspässen, die Erfassung im Ausländerzentralregister, eine klare Zuteilung und die Klärung von Sozialhilfeansprüchen sollen helfen, das "Chaos" in den Griff zu bekommen.

"Wir müssen Ordnung schaffen in unserem Land", sagte Gabriel. Dazu gehöre auch eine bessere Sicherung der EU-Außengrenzen. Flüchtlinge sollen grenznah in Lagern der Uno untergebracht werden und über Kontingente auf EU-Länder verteilt werden. "Wir wollen eine geordnete Zuwanderung, aber keine Festung Europa." - "Wir brauchen die Kultur eines Einwanderungslandes", sagte der Wirtschaftsminister, machte aber deutlich, dass die Flüchtlingshilfe nicht zu Lasten der Förderung heimischer Arbeitskräfte gehen dürfe. "Wir wollen nicht, dass sich die Gerüchteküche verbreitet, die hier leben werden denen nachgestellt, die kommen." So will er die Vorrangsregelung, die EU-Bürger bei einer Einstellung vor Flüchtlingen bevorzugt, beibehalten.

Zudem müsse die Diskussion über die Flüchtlingspolitik "ohne Tabuzonen" geführt werden. "Wir müssen die Ängste der Menschen ernst nehmen und mit denen reden, die unsicher sind und sich unwohl fühlen." Wer dies nicht tue, spiele den wahren Ausländerfeinden in die Hände.

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(bu)
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