Remscheid Ohne Schweiß kein Eis

Remscheid · In der zweiten Folge unserer Serie "Eine Stunde als..." versucht sich unser Reporter als Eisverkäufer - und erkennt, welch anstrengende Arbeit hinter der süßen Verführung steckt.

 Beim Erdbeer-Becher sind Fingerspitzengefühl und Kreativität gefragt. Während der Stunde im Eiscafé lernte Tim Specks Basiswissen in der Zubereitung der Spezialitäten von Eisverkäufer Pasquale Sagui (r.).

Beim Erdbeer-Becher sind Fingerspitzengefühl und Kreativität gefragt. Während der Stunde im Eiscafé lernte Tim Specks Basiswissen in der Zubereitung der Spezialitäten von Eisverkäufer Pasquale Sagui (r.).

Foto: Moll Jürgen

Als es an das Kuckucksnest geht, komme ich ins Schwitzen. Keine Luft zwischen das Eis kommen lassen! Den Teller gleichmäßig drehen! Das Eis nur neben die Sahne, nicht darüber! Eine Portion Schoko-, Nuss- und Stracciatellaeis mit Sahne, Krokantstreuseln, Nusslikör und Karamellsoße, angerichtet auf einem Teller - was sich für den Kunden, der sicher schon sehnsüchtig auf seine Bestellung wartet, nach Sommerferien, nach Entspannung, nach Genuss anhört, ist für mich ein Arbeitsauftrag, bei dem allerhand schief gehen kann. Zu meiner Verteidigung: Es ist mein erstes Mal.

 Ein Neuling und ein Klassiker: Eine Stunde lang arbeitete BM-Reporter Tim Specks im Eiscafé Sagui, servierte unter anderem Schoko-Eis. Experten-Tipp: Die oberste Kugel immer fest andrücken für eine schöne Optik und einen leeren Portionierer.

Ein Neuling und ein Klassiker: Eine Stunde lang arbeitete BM-Reporter Tim Specks im Eiscafé Sagui, servierte unter anderem Schoko-Eis. Experten-Tipp: Die oberste Kugel immer fest andrücken für eine schöne Optik und einen leeren Portionierer.

Foto: Jürgen Moll

Ich stehe hinter der Theke des Eiscafés Sagui in Lennep, der Chef des Hauses, Pasquale Sagui, leitet mich an in der hohen Kunst des Eisverkaufs. Eine Stunde lang will ich mich versuchen an Spaghetti-Eis, Krokant-Becher und zwei Bällchen im Hörnchen. Klingt nach Spaß - ist aber, wie ich schnell feststelle, harte Arbeit.

Seniore Sagui, mein Mentor für eine Stunde, leitet mich mit aller Gelassenheit an. Er kennt sämtliche Tricks - seit dem Sommer im Jahr 1973 arbeitet er in dem Eiscafé an der Kölner Straße. "Das Café gibt es aber schon viel länger", erzählt Sagui mit seinem typisch italienischen Akzent. "Seit 1937. Schon meine Eltern haben hier Eis verkauft." Saguis Familie kommt aus den Dolomiten. Da, wo die echte italienische Eiskultur herkommt, wie er einem Gast erklärt, während er die nächste Eiskreation zaubert.

Wer Sagui bei seiner Arbeit beobachtet, der merkt: Er ist in seinem Element. Jeder Handgriff sitzt, und zwischendurch ist immer noch Zeit für ein Pläuschen mit den Gästen oder einen flotten Spruch für die Mitarbeiter. Drei von ihnen, Theresa, Sophia und Saguis Neffe Domeciano, für die Ferien aus Italien nach Remscheid gekommen, arbeiten an diesem Nachmittag im Café. Dazwischen ich, eher unbeholfen als helfend.

Aus der Ruhe kommt Pasquale Sagui nur, wenn es zu viele Extrawünsche gibt. "Ich kenne rund 100 Eisbecher auswendig. Aber die Ausnahmen machen es schon mal schwer", erzählt er.

Als es etwas ruhiger wird, zeigt mir Sagui das, was zuvor unter unseren Füßen lag: die Küche. Hier sieht es nicht mehr nach Sommerferien aus, sondern nach Chemieunterricht. Hohe Schränke, eine Eismaschine, ein Froster, Rührgeräte und Eimer. Aber - der Schein trügt. Die Herstellung seines Eises ist kein Zusammenmixen künstlicher Stoffe. "Wir verwenden so weit es geht keine Zusatzstoffe", erklärt Sagui. Man könne sich die Arbeit im Eiscafé heute leicht machen und Chemie-Produkte verwenden. Das wolle er aber nicht. "Die Menschen essen schon genug solcher Stoffe." Sein Eis soll möglichst rein bleiben.

Ein Blick in die Kühlkammer nebenan unterstreicht das. Hunderte Eier von einem regionalen Bauernhof, frische Milch und Sahne. Und - ganz wichtig - Zitronen aus Sizilien. "Die kosten dreimal so viel, wie ich für andere Ware zahlen könnte", so Sagui. Aber der Geschmack der süditalienischen Früchte sei unvergleichlich. Drei Mal pro Woche, bei gutem Wetter auch schon fünf Mal, steigt Sagui hinunter in seine Küche und bereitet neues Eis zu. 28 Sorten hat er derzeit im Sortiment, vom Klassiker Erdbeere bis zu besonderen Kreationen wie dem Kinderschokolade-Eis. Ein Renner, wie ich beim Verkauf über die Theke feststelle.

Während ich den Dreh langsam raus habe, steht Saguis Sohn Sebastiano neben uns. Ob er das Geschäft einmal übernehmen wird, frage ich. "Eigentlich wünsche ich mir, dass er etwas Ruhigeres macht", sagt Sagui. "An manchen Tagen schlafe ich nur fünf Stunden." Einkauf, Produktion, Verkauf - da kommt einiges Zusammen.

Richtig voll wird es im Eiscafé am Nachmittag. "Sonntags arbeiten wir teilweise zu siebt", erklärt Sagui. Die letzten beiden Saisons seien gut verlaufen, der aktuelle Sommer aber lässt noch zu wünschen übrig. Aber auch in einer vermeintlich ruhigen Saison merke ich an diesem Tag: Eisverkauf ist schweißtreibend.

(tsp)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort