Remscheid OB liest "handfeste Literatur" - kaum einer hört zu

Remscheid · OB Burkhard Mast-Weisz macht es sich bequem. Der antiquarische Chefsessel in Patina-Gelb mit Nieten, auf dem einst einer seiner Oberbürgermeistervorgänger saß, steht ihm gut. Er hat die Krawatte gelöst, der Hemdkragen ist offen. Es ist der offizielle Beginn der neuen Veranstaltungsreihe im Werkzeugmuseum "Handfeste Literatur unter der Transmission". Transmission - das ist gemäß Duden eine "Vorrichtung zur Kraftübertragung von einem Antriebssystem auf mehrere Maschinen". Das passt wie das Blatt zur Säge. Hinter dem OB steht eine Werkzeugmaschine. Das Ganze ist eine Idee des Museumsleiters Dr. Andreas Wallbrecht. Die "handfeste Literatur" soll den Hörern spannende Literatur zum Thema Werkzeug und zur Stadt näherbringen. Dieser Start der Reihe ist tatsächlich spannend.

Der OB liest über den in Remscheid am 9. September 1857 geborenen August Gissler. Ein Remscheider "Unternehmer", wie er - was Hartnäckigkeit, Ideenreichtum und die Fähigkeit, Rückschläge einzustecken, angeht - im Buche steht. Mast-Weisz liest aus: "Reisen im Licht der Sterne" von Alex Capus und "Die Geheimnisse der Kokosinsel" von Georg Bremer. Es geht um eine Schatzinsel, vielleicht sogar um Robert Louis Stevensons "Schatzinsel". Sowohl Gissler als auch Stevenson waren sogar einmal zur gleichen Zeit in San Francisco, ohne voneinander zu wissen.

August Gissler hat zwar Unternehmerblut wie seine Brüder in den Adern - heute noch existiert das Unternehmen Gissler & Pass in Jülich - , aber August zieht es in die Ferne. Mit 23 Jahren heuert er auf dem Auswanderschiff "Highflyer" an. Dort lernt er einen Matrosen kennen, der ihm von einer Schatzinsel erzählt, der "Kokosinsel". Der sagenhafte Kirchenschatz von Lima soll dort neben anderen Piratenschätzen vergraben sein.

Jahre später bekommt Gissler auf einer Zuckerrohrplantage in Hawaii eine Schatzkarte dieser Kokosinsel in die Hände. Jetzt lässt ihn die Insel nicht mehr los. Er landet auf der unwirtlichen Insel. Sie liegt 500 Kilometer südlich von Costa Rica und 800 Kilometer westlich von Panama mitten im Pazifik.

Gissler gräbt und gräbt, findet aber nichts. Aber er lässt nicht locker: Er heiratet, wird am 11. November 1897 Gouverneur der Insel und gründet eine Kolonie mit deutschen Siedlern. Die Siedler geben auf, doch Gissler und seine Frau bleiben. Sie graben weiter. Er ist von der Schatzinsel besessen, und seine Frau macht mit. Insgesamt lebt er 17 Jahre auf der Insel. Gefunden hat er nichts. Zwischendurch steigt die Spannung der Hörer, wenn es scheint, als würden Gisslers Anstrengungen belohnt.

Leider sind nur zwei Besucher anwesend. "Mir hat es Spaß gemacht", sagt der OB. Es sei wie früher gewesen, als er seinen kleinen Kindern vorgelesen habe.

(begei)
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