Remscheid Musik wie die Urgewalt der Natur

Remscheid · Das Ensemble "Kurbasy" aus der Ukraine gastierte in der Reihe Klangkosmos im Teo Otto Theater - mit traditionellem Liedgut neu und frisch interpretiert.

Wie klingt die Ukraine? Das war die Frage aller vor Beginn des Auftrittes der Gruppe "Kurbasy". Eines beherrscht bekanntlich die Zuhörer vor jedem Konzert der Reihe Klangkosmos: Neugier. Neugier auf eine fremde Kultur, auf fremde, ungewohnte Musik und Klänge und auf die Menschen, die sie erzeugen. Jetzt standen auf der Bühne im Foyer des Teo Otto Theaters drei Sängerinnen in schlichten langen, schwarzen Gewändern, zwei begleitende Männer mit ihren Instrumenten - Hackbrett, Klangschale, Flöte, Trommel und Kontrabass.

Hackbrett, Flöte und Trommel erzeugen eine archaische Atmosphäre, Kontrabass eine gediegene Stimmung, und der Gesang der drei Grazien überlagert alles. Er durchdringt Mark und Bein. Obertonreich, kehlig und mit einer Form dazwischengeschobener Jodellaute, die manchmal wie von einem jaulenden Hündchen kurz aufblitzen, drückt er dieser Musik mit lauschiger Mehrstimmigkeit seinen Stempel auf. Es ist Musik vom Kopf über das Herz bis zu den Füßen.

Die Musiker haben nicht einfach in der Mottenkiste alter Melodien gekramt, einiges herausgezogen und dann wiederbelebt. Sie haben im Kopf die Schätze des ukrainischen Liedguts genommen und sie durch die Mangel gedreht. Dabei ließen sie sich im Herzen von der Liebe zu den eigenen traditionellen Wurzeln leiten. Und mit den Füßen standen sie auf dem festen Boden der Philosophie des Theaters in Lwiw (Lemberg) in der Westukraine. Alles zusammen soll zu Überraschung durch unerwartete Interpretation des Liedgutes führen, das wiederum soll starke Emotionen wecken und so zu neuem Denken anleiten: Neues aufgrund alter Musik und traditioneller Wurzeln.

Die Zuhörer in Remscheid hatten selbstredend keine Vergleichsmöglichkeiten zum wirklich traditionellen Liedgut der Ukraine. Sie vermissten sie auch nicht. Sie nahmen die Musik mit unbedarfter Hörfreude und heftigem Beifall auf. Der feste Stamm ist experimentierfreudig und allerhand gewöhnt. Es macht Spaß, Ungehörtes kennenzulernen. So auch bei Kurbasy. Die Musiker streifen mit ihren Liedern alles, was auch vor Urzeiten die Menschen begeisterte: die geheimnisvolle Wucht der Natur und ihrer Kräfte und ihre Wirkung auf den Menschen.

Man kann mit der Natur in Verbindung treten: Ihr danken, sie fürchten, sie bitten, ihr drohen und sie wieder beschwichtigen. Ohne sie geht nichts, sie prägt das menschliche Leben. Die Menschen fiebern dem Frühling entgegen, begehen das Mitsommerfest, feiern Hochzeiten, die Liebe regiert und das Leben und in der Ferne winkt der Tod. Kein Wunder, dass eine der Sängerinnen bildschön wie Schneewittchen in ihrer Gesichtsblässe Erinnerung aufkommen ließ an die im Wasser treibende Schöne im Video "Where The Wild Roses Grow" (Nick Cave).

(RP)
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