Remscheid "Mundart zu erhalten, ist eine Herausforderung"

Remscheid · Immer weniger Menschen sprechen noch "Platt". In Solingen und in Lüttringhausen bemühen sich zwei Bühnen darum, die Mundart am Leben zu erhalten.

"Onger eïnem Dak" - auf Hochdeutsch: "Unter einem Dach" - müssen sich im Theaterstück von Renate Kollig ein Kriegsveteran, ein Schwuler, eine Hypochonderin und andere skurrile Persönlichkeiten miteinander arrangieren. Auf Solinger Platt geraten die verschiedenen Charaktere aneinander, streiten sich und wollen nicht von ihren eingefahrenen Lebensvorstellungen abrücken.

Geschrieben hat Renate Kollig das Stück bereits 1996. 2007 fand die Uraufführung statt. Jetzt, nach zehn Jahren, führen die Bühnenspiele Höhscheid es erneut auf. Seit 1920 gibt es den Zusammenschluss aus Hobby-Schauspielern, denen daran liegt, die Solinger Mundart zu erhalten. Aus Mangel an Nachwuchs kooperieren sie ab 2018 mit dem Stadtensemble und fungieren dort neben den Märchen und den klassischen Stücken als Mundartgruppe.

Autorin Renate Kollig (73) ist seit 54 Jahren Mitglied im Verein und freut sich: "Nicht nur, dass es jetzt noch ein wenig weitergehen kann für uns. Jetzt übernimmt die Stadt auch einige Aufgaben wie Requisiten und Räumlichkeiten. Das ist eine große Entlastung."

Die gelernte Industriekauffrau spricht das Solinger Platt vor allem wegen ihrer Großeltern. "Früher wurde fast gar nicht Hochdeutsch gesprochen." Für sie gibt es zum Teil Dinge, die sie nur in der Mundart ausdrücken kann. "Es gibt zwar eine Übersetzung ins Hochdeutsche, aber es ist dann trotzdem nicht ganz dasselbe. Manches kann man nur auf Platt so ausdrücken, wie man es wirklich meint", erklärt die Seniorin. Trotzdem fällt es ihr mittlerweile schwer, die Mundart zu sprechen. "Es ist schon etwas Spezielles und nicht so einfach zu lernen. Aber die Mundart zu erhalten, ist auch eine Herausforderung."

Um die Mundart wenigstens unter den Senioren weiter zu fördern veranstaltet Renate Kollig einmal im Monat einen Mundartnachmittag im Altenheim. Für Viele sind Kindheitserinnerung mit dem Solinger Platt verbunden und es gibt ihnen deswegen ein vertrautes Gefühl. "Wenn ich manchmal über den Neumarkt laufe und höre alte Frauen auf Platt miteinander reden, denke ich mir ,Gott sei Dank'. Ich find das toll."

Ernst Seilheimer (78) verkörpert den Kriegsveteran Schuster auf der Bühne. Seit seiner Schulzeit interessierte sich Seilheimer für die Schauspielerei, fand zunächst aber nie wirklich Zugang dazu. Vor 40 Jahren kam der Prokurist im Stahl und Eisenhandel schließlich zu den Bühnenspielen in Höhscheid. Auch er ist mit der Mundart aufgewachsen. "Ich kann mich nicht daran erinnern, dass meine Großeltern jemals Hochdeutsch gesprochen haben. Später, da haben meine Eltern mich gedrängt, ich solle Hochdeutsch für die Schule sprechen. Aber das Solinger Platt ist eigentlich meine Muttersprache." Ihm fällt es dementsprechend nach wie vor leicht, auf der Bühne in die Mundart zu wechseln. Besonders spannend ist für ihn dabei, mit der Sprache spielen zu können.

Obwohl die meisten Schauspieler mit der Mundart aufgewachsen sind, lernen sie voneinander bislang noch nie gehörte Begriffe. "Manchmal ist das sogar von Familie zu Familie unterschiedlich. Aber eine Mundart lebt eben, es kommen Veränderungen dazu. Leider muss man aber auch sagen, dass die Sprache mittlerweile stirbt", bedauert Seilheimer.

Auch Autorin Renate Kollig spielt eine Protagonistin in ihrem Stück. Die Ideen zum Schreiben kommen ihr durch ganz alltägliche Begebenheiten. Für ein Stück braucht sie etwa ein Jahr. Das Schauspielern gefällt ihr aber mindestens genausogut. "Man kann auf der Bühne einfach mal jemand sein, der man im Stillen schon immer mal sein wollte."

Die nächsten Aufführungen der Bühnenspiele Höhscheid finden am 18. und 19. sowie am 25. und 26. November jeweils um 18 Uhr im Theater und Konzerthaus Solingen statt. Im kommenden Frühjahr geht es dann weiter mit dem neuen Stück "Auf jeden Pott ein Deckel", wo die Schauspieler erstmals als Mundartgruppe des Stadtensembles auftreten werden.

(RP)
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