Remscheid Methadon-Hilfe in Remscheid vor Kollaps

Remscheid · Die ärztliche Versorgung von Sucht-Patienten in Remscheid ist akut gefährdet. Immer weniger Mediziner verschreiben die Ersatzdroge.

 Fläschchen statt Spritze - die Einnahme von Methadon soll etwa Heroinsüchtigen helfen, einen Weg aus der Drogenszene zu finden.

Fläschchen statt Spritze - die Einnahme von Methadon soll etwa Heroinsüchtigen helfen, einen Weg aus der Drogenszene zu finden.

Foto: Uli Dackweiler

Sie sind auf medizinische Hilfe aufgrund ihrer Lebensumstände besonders angewiesen, doch viele schwerst suchtkranke Menschen könnten schon in einigen Jahren in den Praxen umsonst anstehen. In Remscheid gibt es immer weniger Ärzte, die ehemaligen Heroinsüchtigen helfen und die Ersatzdroge Methadon verschreiben können. Gegenwärtig existieren in der Stadt noch zwei größere Praxen, in denen dies möglich ist.

Derzeit gibt es nach Angaben von Frank Neveling, Leiter des Remscheider Gesundheitsamtes, 207 gemeldete Methadon-Nutzer. Wegen der schwindenden Zahl an Ärzten, die Methadon verschreiben dürfen, sieht er eine "Riesenversorgungslücke" auf die Stadt zukommen. Da Heroin heutzutage keine Modedroge mehr ist, ist die Zahl der Abhängigen über die Jahre in etwa gleich geblieben. Allerdings hat die Mehrzahl der Abhängigen schon ein fortgeschrittenes Alter erreicht - und damit steigt der Bedarf an medizinischer Versorgung. So liegt die Altersgruppe der 30- bis 59-Jährigen bei der Suchtberatung des Diakonischen Werks des Evangelischen Kirchenkreises Lennep mit 67 Prozent (im Bereich der Mehrfachkontakte) weit an der Spitze.

Bei den Hauptsuchtmitteln war Methadon in der Statistik der Suchtberatung im vergangenen Jahr die Nummer eins: mit 35 Prozent vor Alkohol (33 Prozent) und Cannabis (15 Prozent). Um das Problem der Versorgung der Methadon-Substituierten zu lösen, gründete sich eine Arbeitsgruppe. In einem Brief an die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Remscheid wurde auf das Problem aufmerksam gemacht: Walter Steege, Allgemeinmediziner mit Methadon-Patienten und Sprecher der KV, sieht allerdings gegenwärtig keine

Lösung für das Problem. "Die Zukunft für die Methadon-Substituierten ist sehr, sehr fraglich", sagt er der BM. Der Grund sei weniger der allgemeine Ärztemangel als eine unsichere juristische Basis, auf der Ärzte arbeiteten, die Methadon verschreiben. So könne es aufgrund der aktuellen Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) sein, dass die Mediziner für Straftaten verantwortlich gemacht würden, die ihre suchtkranken Patienten unter dem Einfluss der Drogen begingen. "Der Arzt steht da immer mit einem Bein im Gefängnis", mahnt Steege. Er könne deshalb jungen Ärzten derzeit "nur abraten", die Methadon-Substitution zu übernehmen. Die BtMVV müsse dringend überarbeitet werden, fordert der Arzt.

Die medizinische Versorgung von Methadon-Nutzern ist zudem ein Service, der in vielen gestressten Arztpraxen oft nur schwer umzusetzen ist. Überdies sind die Patienten aufgrund ihrer Sucht nicht immer leicht zu behandeln. Dennoch erfüllt ein Methadonprogramm eine wichtige medizinische und soziale Funktion: "Die Patienten sollen an die Praxen gebunden werden und wieder arbeitsfähig gemacht werden", erklärt Amtsleiter Neveling.

Gibt es keine Praxen, die dieses Angebot machen, entfällt auch die Möglichkeit der Sozialisation. Und die Suchtkranken versorgen sich wieder mit "dem Stoff von der Straße". Dann greifen sie möglicherweise wieder zu Heroin und geraten erneut in den Teufelskreis von Sucht, Abhängigkeit und Beschaffungskriminalität.

(RP)
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