Remscheid Landwirtschaft - ein Auslaufmodell ?

Remscheid · Landwirt Karl-Frieder Kottsieper appelliert, die Agrarwirtschaft nicht schrumpfen zu lassen und sich nicht weiter von Importen abhängig zu machen.

 Landwirt aus Leidenschaft und mit klarer Meinung: Karl-Frieder Kottsieper aus Lüttringhausen.

Landwirt aus Leidenschaft und mit klarer Meinung: Karl-Frieder Kottsieper aus Lüttringhausen.

Foto: Jürgen Moll

Karl-Frieder Kottsieper macht sich Sorgen um die Zukunft der Landwirtschaft. Nicht nur in Remscheid, sondern deutschlandweit. "Ich beobachte bundesweit einen Trend, der Agrarwirtschaft immer weniger Bedeutung beizumessen." Das finde er nicht nur als landwirtschaftlicher Unternehmer bedenklich.

In Kottsiepers Geflügelzuchtbetrieb laufen die Hennen seit drei Jahren frei herum. Den Ausstieg aus der Käfighaltung hat er damit elf Jahre früher geschafft, als von den Agrarministern vorgeschrieben. Auch die Frage, wie es mit seinem Geflügelhof einmal weitergeht, muss sich der Bauer aus Lüttringhausen nicht stellen: Kottsieper hat drei Söhne, die alle Agrarwissenschaften studiert haben. Der Übergang in die sechste Generation ist damit gesichert, und das mit modernster Technik - vom Stall bis ins Büro. Sogar das Treiben der scharrenden Hühner lässt sich auf dem Geflügelhof im idyllischen Obergarschagen auf großformatigen PC-Bildschirmen verfolgen.

Kottsiepers Welt wirkt im Lot, insbesondere nachdem sein Hof vor einigen Wochen einmal mehr eine landesweite Stallpflicht für Hühner als Folge der Vogelgrippe weitgehend schadlos überstanden hat. Trotzdem gibt es Tendenzen, die den Landwirt bekümmern. Es geht dabei nicht um die Frage, ob die Wetter-Kapriolen der jüngsten Zeit den Ackerbau erschweren. Es geht auch nicht um Nitrate im Trinkwasser. Denn mit diesem Problem, das derzeit für viele Schlagzeilen sorgt, haben Landwirte wie Kottsieper, die in Wasserschutzgebieten tätig sind, wegen der besonders hohen Auflagen und Kontrollen ohnehin nichts zu tun.

Der schleichende Rückgang der Landwirtschaft bereite ihm Kopfzerbrechen. "Es kann nicht gut sein, dass wir uns immer mehr von den Nahrungsmitteln aus anderen Ländern und Regionen abhängig machen." Bei Hühnereiern aus Nordrhein-Westfalen beispielsweise sei der Versorgungsgrad durch eigene Betriebe bereits auf 30 Prozent gesunken. Wenn diese Entwicklung auch bei anderen Grundnahrungsmitteln anhalte, werde Europas größte Volkswirtschaft eines Tages nicht mehr in der Lage sein, sich selbst zu ernähren.

Für Kottsieper, der sich in mehr als einem halben Dutzend Verbänden für regionale Lebensmittel engagiert, ist das ein Szenario, das allen verantwortlichen Politikern zu denken geben sollte: "Schon jetzt hinken wir in Deutschland aufgrund fehlender Agrarflächen hinter ausländischen Ackerflächen hinterher."

Bei guten Wirtschaftsbeziehungen sei das nicht weiter bedenklich. Allerdings könne man am Beispiel der USA gerade erleben, wie schnell sich diese Beziehungen auch wieder verändern können. "Über diesen Aspekt hinaus müssen wir uns in einer Gesellschaft auch fragen, welches Bild wir insbesondere der jungen Bevölkerung von der Landwirtschaft in Zukunft vermitteln."

Es sei verheerend, so zu tun, "als ob die Bauern in diesem Land keine Rolle mehr spielen würden". Es sei auch falsch, den Menschen kein Wissen mehr über landwirtschaftliche Tätigkeiten zu vermitteln. "Das führt dazu, dass immer mehr Leute in der Natur nur noch einen Naherholungsraum oder einen Ort für ihre Freizeitaktivitäten sehen."

Für die Landwirte sei es aber ein Problem, wenn zum Beispiel nicht in Vereinen organisierte Mountainbiker durch ihre Felder fahren oder Hundehalter dort Stöckchenwerfen, wo später geerntet wird. "So geraten nicht nur Stöcke in Futtermühlen, sondern es treten allgemein Konflikte auf, die sich durch weniger Wissenslücken vermeiden ließen."

Kottsieper hofft daher, dass es auf vielen Ebenen zu einem Umdenken kommt: "In den letzten Jahren wurde nicht nur im NRW-Agrarministerium viel Zeit damit verbracht, intensiv über die Landwirtschaft zu diskutieren, ohne den Landwirten als den eigentlichen Experten Gehör zu schenken." Dadurch seien bedeutende übergeordnete Zusammenhänge aus dem Blickfeld geraten. "Natürlich ist es nötig, über artgerechte Tierhaltung und mehr biologische Vielfalt in der modernen Landwirtschaft zu reden." Es sei aber auch wichtig, die Menschen wieder mehr "über die Zusammenhänge zwischen landwirtschaftlicher Tätigkeit und der Erzeugung eigener Lebensmittel aufzuklären".

Zudem sei es leider vor allem jüngeren Leuten kaum noch bewusst, dass viele der Landschaftsbilder, die allgemein als schön empfunden werden, über Generationen von Landwirten geprägt wurden. "Es sind vor allem Bauern gewesen, die zur Bewahrung von Natur und Landschaftselementen beigetragen haben. Es wäre hilfreich, wenn auch das in der Gesellschaft wieder mehr ins Bewusstsein rücken würde."

(RP)
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