Remscheid Kammerspiel mit dreifacher Alice

Remscheid · Wieder Lewis Carrolls "Alice im Wunderland" im Teo Otto Thearer: Das Theater Wasserburg näherte sich dem ikonischen Stoff von der Musiktheater-Seite. Inszeniert von Uwe Bertram ging es aber nur auf sehr abstrakte Weise um den eigentlichen Inhalt des beliebten Kinderbuchs. Vielmehr versuchte Bertram, sich den inneren Kämpfen von Charles Lutwidge Dodgson, so Carrols eigentlicher Name, seinen Ängsten, seiner Verwirrung zu nähern.

 Ein moderner Theater-Abend für Freunde besonderer Inszenierungen. Szene aus "Alice im Wunderland".

Ein moderner Theater-Abend für Freunde besonderer Inszenierungen. Szene aus "Alice im Wunderland".

Foto: Theater

Und auch seine obsessive Beziehung zu der kleinen Alice Liddell war Teil des Geschehens, das dennoch immer wieder Reminiszenzen an das Wunderland mit Hutmacher, Herzkönigin und Grinsekatze brachte. Schließlich ist die Geschichte nur entstanden, weil Dodgson sie der Tochter des Dekans des Christ Church Colleges in Oxford zum Zeitvertreib erzählte. Bei dem kleinen Mädchen konnte der eigenbrötlerische Dozent ganz er selbst und übersprudelnd kreativ sein.

Bertram inszenierte dabei den Stoff dreier Autoren: Robert Wilson erschuf die Dramaturgie, der Musiker Tom Waits schrieb zu den Texten von Paul Schmidt seine bekannt verschrobenen Lieder. Und verschroben ist auch ein gutes Stichwort für das, was sich den gut 100 Zuschauern in Remscheid darbot: Ein sechsköpfiges Ensemble, das jeweils dreimal Alice Liddell und Charles Dodsgon darstellte, war in einem zweigeschossigen Kammersystem untergebracht, im unteren Bereich spielte die hervorragende, fünfköpfige Band, ebenfalls in einer Art Kammer untergebracht, und im Vordergrund war einer der Dodgson-Darsteller permanent mit einem Rhönrad zugange. Ein echtes Kammernspiel, sozusagen.

Die Bühnendekoration war dabei so simpel wie genial: Eine Vielzahl an Spiegeln symbolisierte die beiden Welten, ansonsten herrschte karges Schwarz vor, das aber durch geschickte Ausleuchtung der einzelnen Kammern enorm lebendig und abwechslungsreich wirkte.

Stichwort Musik: Was Georg Karger (Kontrabass), Wolfgang Roth (Saxophon), Peter Holzapfel (Posaune), Anno Kesting (Schlagwerk) und Leonhard Schilde (Geige) aus den immer leicht blues-lastigen Kompositionen von Tom Waits machten, war sensationell gut.

Und auch die Schauspieler leisteten Großartiges: Wie sich die verschiedenen Alices (Susan Hecker, Annett Segerer und Regina Alma Semmler) und die drei Dodgsons (Frank Piotraschke, Hilmar Henjes und Nik Mayr) Worte, Wortfetzen, nur selten ganze Sätze, zuwarfen, absolut timingsicher und mit jeder Menge Körperbeherrschung, das nötigte den allergrößten Respekt ab.

Sicher, man musste sich auf das Bühnengeschehen einlassen, um die größte Freude herauszuziehen. Aber das musste Alice mit ihrem Wunderland ja auch tun...

(RP)
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