100 Jahre Wohnungsaktiengesellschaft Remscheid Jeder Zehnte wohnt heute bei der Gewag

Remscheid · Im letzten Jahr des 1. Weltkrieges wurde die gemeinnützige Gesellschaft gegründet. Sie hat die Stadt und ihr Gesicht mitgeprägt.

 Ende Oktober 2016 erfolgte der Spatenstich zum innovativen Wohnkonzept für Menschen mit Behinderung Gerhart-Hauptmann-Straße im Südbezirk.

Ende Oktober 2016 erfolgte der Spatenstich zum innovativen Wohnkonzept für Menschen mit Behinderung Gerhart-Hauptmann-Straße im Südbezirk.

Foto: Jürgen Moll

Susanne Marks ist 91 Jahre alt und lebt seit 65 Jahren in derselben Gewag-Wohnung. Als 1952 die lange ersehnte Zusage kam, zog sie mit ihrem Mann und den beiden Kindern dort ein. 48 Quadratmeter. Zwei Zimmer, Küche, Bad. Ein eigenes Bad, das war Luxus. Bis nach Bergisch Born konnte man damals aus dem Küchenfenster schauen, berichtet die alte Dame in der aktuellen Festschrift der Gewag. In der kommenden Woche feiert die gemeinnützige "Wohnungsaktiengesellschaft Remscheid" ihren 100. Geburtstag.

Der gemeinnützige Zweck der Gesellschaft lässt sich schon im Gründungsprotokoll vom Februar 1918 nachlesen. "Zweck der Gesellschaft ist ausschließlich, minderbemittelten Familien oder Personen gesunde und zweckmäßig eingerichtete Wohnungen in eigens erbauten oder angekauften Häusern zu billigen Preisen zu schaffen", heißt es da. Eigentlich sollte die Gewag noch früher gegründet werden. Doch der 1. Weltkrieg kam dazwischen.

Geschichten wie die von Susanne Marks können viele Remscheider erzählen. Die Gewag schuf nach den beiden Kriegen dringend benötigten neuen Wohnraum in der Stadt. Die Festschrift von 1968 zeigt Bilder von zerstörten Straßenzügen am Honsberg, wo die Gewag ihre erste Geschäftsstelle hatte.

Wie erfolgreich die Gesellschaft ihren Zweck erfüllte, zeigen Zahlen aus diesem Zeitraum. Lag der eigene Wohnungsbestand 1948 knapp über der 500er-Marke, waren es 1967 schon weit über 4000. In den ersten 50 Jahren schuf die Gewag "für 8000 Familien ein Heim" heißt es im Geleitwort der Festschrift.

Damals wurde groß gedacht, ganze Siedlungen entstanden. Zunächst zwischen 1959 bis 1961 im Bereich Vöpelswiese-Mixsiepen, im Anschluss dann ab 1962 am Lenneper Hasenberg. Der Hasenberg als größte zusammenhängende Bau- und Erschließungsmaßnahme mit eigenen Heizkraftwerken steht bis heute beispielhaft für den Gewag-Stil. 4500 Menschen fanden hier ein neues Zuhause. Den Zuschlag bekam 1962 der Remscheider Architekt Walter Arns. Ein typisches Merkmal: die Schieferfassaden.

Heute ist der Lenneper Stadtteil ein gutes Beispiel für die Herausforderungen der Gegenwart. Remscheid ist kleiner geworden, Wohnraum keine Mangelware mehr. "Wir stehen im Wettbewerb", sagt Gewag-Vorstand Hans-Jürgen Behrendt. Längst steht nicht mehr der Neubau von Wohnraum im Mittelpunkt, sondern die Modernisierung des Wohnungsbestandes - vermehrt unter energetischen Gesichtspunkten. Aber auch ästhetischen. Auf Küchenfliesen aus den 50er und 60er Jahren will heute kein Mieter beim Kochen mehr schauen. Die Geschäftsberichte der Gewag zeigen eindrucksvoll, wie viele Millionen Euro jedes Jahr in die Sanierung und Modernisierung fließen.

Auch am Hasenberg. Der wird seit 2013 zum inklusiven Quartier (IQ) entwickelt. Ziel: "Der neue Hasenberg" soll zeitgemäße Wohnungen, soziale Einrichtungen sowie "gefragte Dienstleistungen für Menschen aller Altersgruppen und Nationalitäten mit und ohne Behinderungen umfassen". Ein neues Farbkonzept gehört auch dazu.

Die Gewag hat als städtisches Wohnungsbau-Unternehmen mit politisch besetztem Aufsichtsrat aber auch immer wieder besondere Projekte übernommen. Der Bau des Neuen Lindenhofs in Honsbergs Mitte kann als gelungenes Aufbruchsignal für den erhofften Umbruch im Arbeiterviertel gelten. Das Miteinander der Vereine, Gruppen und Religionen im neuen Stadtteilzentrum soll ausstrahlen in die ganze Stadt, so der Wunsch des Rates.

Heftig in den politischen Wind gestellt wurde die Gesellschaft 2002 mit dem Auftrag, die alte Post am Ebert-Platz zum Dienstleistungszentrum umzubauen. Die SPD lief - zunächst mit der W.i.R. - Sturm gegen das aus ihrer Sicht zu teure Vorzeigeprojekt des damaligen CDU-Oberbürgermeisters Fred Schulz. Legendär ist die Sitzung, in der der heutige Kämmerer Sven Wiertz (SPD) auf einer in den Ratssaal gerollten Schultafel die Mehrkosten auflistete. Heute haben alle ihren Frieden mit Ämterhaus gemacht. Die Spiegelfassade der VHS ist ein Blickfang im Stadtbild.

Stolz ist Behrendt auf das Projekt an der Gerhardt-Hauptmann-Straße. Hier hat die Gewag ein Haus mit einem speziellen Wohnkonzept für Menschen mit Behinderungen gebaut. Anfang Dezember wurde es eingeweiht. Weitere Projekte dieser Art kann sich Behrendt für die Zukunft sehr gut vorstellen. "Das steht uns gut zu Gesicht." Zufrieden macht den Gewag-Vorstand aber auch das Ergebnis einer einfachen Rechenaufgabe: Jeder zehnte Remscheider wohnt bei der Gewag.

(hr)
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