Ansichtssache Im Scheinwerferlicht der Prominenz

Remscheid · Im Wahlkampf gehört Remscheid zu den Städten, in denen viele Minister aus Bund und Land gesichtet werden. Sie werben für ihre Partei und ihren Kandidaten. Politische Diskussionen finden allerdings kaum statt.

Ansichtssache: Im Scheinwerferlicht der Prominenz
Foto: Stephan Köhlen

Aufmerksamkeit bildet die wichtigste Währung im Wahlkampf. Dafür sollen die vielen Plakate in der Stadt sorgen - wenn sie denn hängen bleiben. Sie zeigen meist Menschen, von denen die meisten Bürger wohl lange Zeit nicht genau wussten, dass es sie gibt. Auch Kommunalpolitik findet in der Regel unter einer Glocke statt. Ob Jens Nettekoven (CDU) oder Sven Wolf (SPD), Jutta Velte (Grüne), Fritz Beinersdorf (Linke) oder gar Jörg von Pohlheim (FDP) - diese Kommunalpolitiker und Landtagskandidaten werden nicht gleich von jedem auf der Alleestraße erkannt, auch wenn sie schon seit Jahren Politik für ihre Stadt machen.

Deswegen braucht es in Wahlkampfzeiten für die Kandidaten vor Ort möglichst große Scheinwerfer, um die Wahrscheinlichkeit einer intensiveren Wahrnehmung durch den Bürger zu erhöhen. Besuch von politischer Prominenz ist daher willkommen, denn der Glanz der "großen Politik" soll möglichst auf den Kandidaten vor Ort abfallen.

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet, Gesundheitsministers Hermann Gröhe haben jüngst die Werkzeugstadt besucht. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, SPD-Finanzminister Norbert Walter-Borjans und Dietmar Bartsch, Oppositionsführer der Linken im Bundestag, kommen kommende Woche. "Ich würde es begrüßen, wenn einer im Saal ist, der nicht meiner Meinung ist", sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert. Wahlkampf bedeutet für ihn, Streit mit Argumenten um die richtigen Lösungen. Doch im Teo Otto Theater, wo Lammert sprach, kam es zu keiner politischen Diskussion. Statt Dissens überall Konsens.

"Jetzt sagt ihr mir mal, wo wir etwas besser machen können", fragte Hannelore Kraft die Mitarbeiter der Lebenshilfe beim Besuch in Lennep. Ein paar vorsichtige Bitten wurden formuliert, die Arbeit für Behinderte mit mehr Geld zu unterstützen. Das klang nicht nach einer politischen Forderung oder Konfrontation, sondern mehr nach Kuschelkurs. Ein Treffen unter Freunden. Tenor: Die Hannelore macht das schon.

Bei Promibesuch gleich welcher parteipolitischen Couleur kommt es zu einer auffälligen Paarbildung auf Zeit. Wo Hannelore steht, steht auch Sven. Wo Armin geht, geht auch Jens. Der eine ist der Schatten des anderen. Man spielt sich die Bälle zu. Es kommt auf die Inszenierung an. Argumente, sachliche Gespräche haben wenig Platz. Das liegt nicht allein an den Politikern, sondern auch an den Bürgern. Wenn es kompliziert wird, wenn es um Fakten geht, steigen viele aus. "Die machen doch sowie, was sie wollen. Ich gehe nicht wählen". Mit diesen Worten kommentierte ein Herr mit grauen Haaren den Besuch von Armin Laschet auf dem Wochenmarkt. Für ihn gibt es keine Schnittstelle mehr zwischen Privatperson und Politik. Politiker zu kritisieren ist leicht, auf sie zu schimpfen noch leichter. Doch Politiker wachsen nicht an den Bäumen. Auch nicht in Remscheid.

Es existiert offenbar eine irrige Vorstellung, als gebe es eine riesige Reservebank, von der aus mal eben alle ausgetauscht werden könnten, die man für unfähig hält. Weit gefehlt. Jede Stadt und jedes Land hat die Politiker verdient, die von den Bürgern gewählt wurden. Wahlkampf ist eine gute Gelegenheit, sie zur Rede zu stellen und sich einen eigenen Eindruck zu verschaffen, bevor man sein Kreuzchen macht.

(RP)
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