Wuppertal Turmhoch oben über der Stadt

Wuppertal · 1981 bestieg der Pressefotograf Kurt Keil den Schornstein des Elberfelder Kraftwerks. Der Einsatz ist ihm in bleibender Erinnerung. Die atemberaubenden Fotos gibt es noch heute. Die Anlage aber wird bald abgeschaltet - Zukunft ungewiss.

 Das ist wirklich eine Vogelperspektive. Der Blick gen Osten zeigt die frühere Bayer-Halle, die Schwebebahnstation Pestalozzistraße und den damaligen Gutenbergplatz.

Das ist wirklich eine Vogelperspektive. Der Blick gen Osten zeigt die frühere Bayer-Halle, die Schwebebahnstation Pestalozzistraße und den damaligen Gutenbergplatz.

Foto: Kurt Keil

Rund zwei Wochen lang hat es gerade im Elberfelder Kohlekraftwerk gebrannt. Die Inbetriebnahme für die Wintersaison ist dadurch nicht gefährdet. Aber lange bleibt das Heizkraftwerk nicht mehr Lieferant für Wärme im Tal. Wenn die Fernwärmeleitung von Korzert ins Tal verlegt ist, geht das Werk an der Kabelstraße in den Ruhestand. Was dann mit dem höchsten Bauwerk der Stadt, dem 198 Meter hohen Schornstein passiert, ist offen. Das hängt vom Käufer des Grundstücks ab.

Vielleicht kann man nach Stilllegung des Kraftwerks aber noch einmal den Ausblick genießen, den es von dort oben gibt. So wie Kurt Keil, jahrelang Pressefotograf in Wuppertal. Keil stieg am 20. November 1981 mit seinem Kollegen Peter Joachim Schmied auf dem Turm. Ein eindringliches Erlebnis.

Der Kamin war damals gerade fertiggestellt, erinnert sich Keil. Kollegen hatten ihn angerufen und gefragt, ob er hinauf wolle. "Schaffst du das, Kurt? Sonst suchen wir einen anderen aus." Das hatte seinen Ehrgeiz geweckt.

Zusammen mit dem damaligen Oberbürgermeister Gottfried Gurland ist er dann in einem Lastenaufzug die 198 Meter in "totaler Finsternis" im Inneren des Schonsteins hochgefahren. Drei, vier Minuten, wie eine Ewigkeit. Aus der Enge des Schornsteins wurde er in die Höhe und Weite entlassen. Oben war um den Schornstein ein Baugerüst gebaut. Keil spricht von 80 bis 90 Zentimetern. Ziemlich wenig Platz, wenn man den mit Baumaterial teilt. Am Geländer war dicke Pappe aufgehängt, damit durch die Lücken nichts herausfällt.

Vor der Höhenangst hat das Kurt Keil nicht bewahrt. "Die Bauarbeiter haben mir gesagt, ich soll mich nicht so anstellen. Die waren das gewohnt, die hatten sich langsam an die Höhe gewöhnen können." Der Bau hatte ziemlich schnell gehen müssen - um die Spannung an allen Stellen gleich zu halten, musste der Schornstein ohne Unterbrechung gebaut werden und sei täglich um drei bis vier Meter gewachsen. So hätten die Arbeiter sich die Höhe Stück für Stück erarbeitet. Keil hatte nur ein paar Minuten. "Ich musste mich erst mal so hinstellen, dass ich nicht hinuntergucken konnte." Nach ein paar Minuten wurde er dann mutiger und knipste alles, was ihm vor die Linse kam.

Dabei hatte er eine russische Kamera "mit einem Superweitwinkel ohne stürzende Linien von 120 Grad." Die Bilder waren breiter als normale Fotos - und erzeugten Panoramaperspektiven. Damals eine "kleine Sensation, heute macht das jede Digitalkamera", sagt Kurt Keil.

Der Blick fiel in Richtung Osten. Der Wupper folgend, kann man die frühere Bayerhalle sehen, die Schwebebahnstation Pestalozzistraße und daneben den Gutenbergplatz.

Einen ähnlichen Blick genießen seit 2001 die dort nistenden Falken. Der Horst hängt aber nur auf halber Höhe - auf etwa 100 Metern. Dort gibt es auch zwei Webcams, über die man die Tiere beobachten kann - und nebenbei einen ähnlichen Blick auf die Stadt genießen kann wie Kurt Keil vor 36 Jahren.

(RP)
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