Wuppertal Tausende Menschen haben kein Geld für Strom

Wuppertal · Verbraucherzentrale, WSW und Hilfevereine arbeiten gegen Energiearmut in der Stadt. Zahl der Betreuten nimmt zu.

 Für viele Wuppertaler entwickelt sich Energie immer mehr zum Luxusgut. Symbolfoto: dpa

Für viele Wuppertaler entwickelt sich Energie immer mehr zum Luxusgut. Symbolfoto: dpa

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Für eine wieder stetig steigende Zahl von Wuppertalern entwickelt sich Energie immer mehr zum Luxusgut. Die Berater der Verbraucherzentrale hatten allein im ersten Halbjahr dieses Jahres 62 neue Fälle, in denen das Geld nicht reicht, um die monatlichen Stromkosten zu begleichen. Die Zahl der Wuppertaler Stadtwerke (WSW) ist noch viel alarmierender. Dort ist von jährlich 6000 bis 7000 Lieferstopps für Kunden die Rede, die ihre Rechnungen über einen längeren Zeitraum nicht beglichen haben.

Außenstände von mehreren Hundert Euro sind normal. "Wir hatten aber auch schon Rückstände über mehrere Tausend Euro", sagt Roberto Siino von den Stadtwerken. Er leitet dort den Vertrieb. Der Rechtsanwalt Jochen von Köller arbeitet für die Verbraucherzentrale NRW. Er gehört zu den Initiatoren des landesweiten Projektes "NRW bekämpft Energiearmut". Köller untersucht die Einzelfälle, geht Ursachen auf den Grund und versucht in Kooperation mit Stadtwerken, Jobcenter, Kirchen und Hilfevereinen Abhilfe zu schaffen. Er hat beobachtet, dass sich die Gruppe der Energiearmen verändert. Es sind nicht mehr allein Hartz-IV-Empfänger, die sich in ihrer Not an die Verbraucherberater wenden. "Jeder Dritte ist erwerbstätig, 14 Prozent sind Rentner", sagt er. Doch die Einkünfte reichen nicht, um allen Verpflichtungen zu genügen.

Dass ein Großteil der Betroffenen von Hartz IV lebt, hat sich nicht geändert. Für diese Gruppe wird es im Gegenteil immer schwieriger, die Rechnung der Stadtwerke zu begleichen. Denn der Anteil für Energiekosten, der in die Hartz-IV-Sätze eingerechnet wird, ist in vielen Fällen zu gering. "Wir haben das untersucht", sagt Rechtsanwalt von Köller. Es gebe Fälle, in denen jeden Monat 30 Euro fehlten. Das ist viel Geld für Menschen, die von Leistungen des Staates leben müssen.

Ziel des Projektes "NRW gegen Energiearmut" ist, die Betroffenen aus dem Teufelskreis herauszuführen. "Wir raten nicht nur zu einem bewussteren Umgang mit Strom, sondern auch zu energiesparenden Elektrogeräten", sagt von Köller. Solche Geräte bieten die WSW seit einiger Zeit auf Ratenzahlung in Höhe von monatlich zehn oder 16 Euro an. 150 wurden verkauft.

Angesichts der Vielzahl von Menschen, die für Strom offenbar nicht genügend Geld haben, ist das ein Tropfen auf den heißen Stein. Außerdem glaubt Frank Jäger vom Erwerbslosenverein Tacheles nicht, dass Stromsparen die vordringlichste Sorge der Betroffenen ist. "Für viele ist das ein Luxusproblem", sagt er, spricht sich aber dennoch dafür aus, diese Leute beratend zu begleiten. Für viel wichtiger hält Jäger aber, dass die Hartz-IV-Sätze so angepasst werden, dass die Empfänger in Würde leben können. "Bisher sind alle unsere Bemühungen in diese Richtung gescheitert."

Für den Verein Wuppertaler in Not (WIN) ist Energiearmut ein allgegenwärtiges Thema. Der 1998 gegründete Verein hilft Menschen in akuter Not unbürokratisch und schnell. Er ist dafür auf Spenden aus der Bevölkerung angewiesen. In rund 100 der fast 500 Hilfsfälle im Jahr geht es darum, dass die Abschaltung des Stroms unmittelbar bevorsteht. Die Zahl dieser Fälle steigt seit einigen Jahren wieder stetig an. Betroffen sind Alleinstehende, Rentner und sehr viele Familien mit Migrationshintergrund.

Die Entwicklung in Wuppertal ist typisch für viele Städte in NRW. Deshalb wird das erst bis 2015 befristete Projekt "NRW gegen Energiearmut" bis mindestens 2018 fortgeführt.

(RP)
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