Wuppertal Oper ist Belcanto und Botschaft

Wuppertal · Zu allen Zeiten haben Komponisten in Wort und Musik die Gegenwart widergespiegelt. Das gilt auch für "Julietta", die am Samstag Premiere feiert. Eine vergessene Perle, die es längst verdient hätte, auf den Bühnen der Welt gespielt zu werden.

 Die lyrische Oper "Julietta" von Bohuslav Martinu ist für Berthold Schneider eine vergessene Perle.

Die lyrische Oper "Julietta" von Bohuslav Martinu ist für Berthold Schneider eine vergessene Perle.

Foto: Jens Grossmann

Belcanto - schöner Gesang. Wer immer eine Oper besucht, wird damit reich beschenkt. Das ist auch in Wuppertal so, wo sich das noch junge Ensemble in immer mehr Herzen singt. Aber Oper ist viel mehr als nur schöner Gesang. Besonders in Wuppertal und erst recht, seit Berthold Schneider vor knapp zwei Jahren die Intendanz übernommen hat. Er ist ein politischer Geist und ein engagierter Lenker der Opernbühne. Das hat er mit Stücken wie Surrogate Cities bewiesen, die mutig wie spannend mit und auf der Bühne experimentiert. Und das wird er am Samstag wieder beweisen, wenn "Julietta" Premiere feiert.

"Wir sind die ersten im Westen, die das Stück aufführen", sagt Schneider wie nebenbei. Und so meint er es auch. Es geht nämlich nicht um den Superlativ. Es geht um die Aussage des Werkes, es geht um die Botschaft von Bohuslav Martinú (1890-1959). Der Tscheche hat die lyrische Oper 1937 geschrieben. Ein Jahr später wurde sie in Prag uraufgeführt. Auf westliche Bühnen hat sie es nicht geschafft. Bis jetzt.

Für Berthold Schneider ist "Julietta" eine vergessene Perle, ein Glanzstück, das es längst verdient hätte, auf den Bühnen der Welt gespielt zu werden. Es ist eine Oper in der Tradition der ganz großen und weltbekannten Komponisten. Sie ist musikalisch anmutig und in ihrer Aussage gesellschaftlich hochbrisant. Egal, wann und in welchem Land sie aufgeführt wird. "Opern waren immer politisch", sagt Schneider. "Komponisten greifen auf, was um sie herum geschieht", erklärt der Opernintendant. Auf der Schauspielbühne ist das beispielsweise bei Shakespeares Königsdramen offensichtlich. Auf der Opernbühne überdecken bisweilen Gesang, Bühnenbild und Kostüme die Kernbotschaft eines Werkes. Für Schneider liegt in diesem Dreiklang einerseits der Reiz der Oper. Andererseits macht es Werke bisweilen erklärungsbedürftiger.

Zuletzt hat der junge russische Regisseur Timofej Kuljabin mit seiner Rigoletto-Inszenierung in Wuppertal bewiesen, wie sich Verdis Stück ohne Brüche in die Gegenwart transferieren lässt und seine ursprüngliche Kraft dabei nicht verliert. "Die Geschichte von ,Rigoletto' ist in der Sprache heutiger Lebensumstände schwer zu erzählen, da sie voll von mittelalterlicher Archaik ist. Wo findet man heutzutage glaubhafte Situationen, in denen ein wirksamer Fluch, ein Menschenraub, gesetzlose Hinrichtungen und selbst ein Buckel eine ebenso starke Bedeutung haben konnten wie bei Verdi und Hugo? Aber wenn wir solche Situationen nicht finden, können wir kein überzeugendes Drama mit echten Menschen darstellen: Deswegen gehen wir - mein Team und ich - auf die Suche", hat Kuljabin seine Inszenierung erklärt. Bei ihm war Rigoletto ein windiger Parteibonze, der seine Intriganz letztlich teuer bezahlte.

Für Schneider sind solche Transfers alter Stücke in die Gegenwart legitim, aber sie sind kein Zwang. "Opern sind auch musikalisch nicht aus dem Nichts entstanden. Komponisten wie Mozart und Mahler haben sich mit dem auseinandergesetzt, was um sie herum geschah", sagt der Intendant. Auch das gebietet einen vorsichtigen Umgang mit den Stücken. Wer bei Schneider inszenieren will, muss sich dessen erinnern. Er fordert Mut, aber auch Respekt vor der Arbeit des Komponisten. Effekt um der Effekthascherei willen ist das Gegenteil davon "Wichtig ist, mit einer Inszenierung etwas zu wollen. Schlimm ist, wenn man nichts will, wenn man die Kraft der Komposition und des Komponisten nicht herausholen will."

Vor diesem Hintergrund hat Inga Levant "Juilietta" von Bohuslav Martinú inszeniert. Das außergewöhnliche Werk wartet mit wunderbarer Musik in der Tradition tschechischer Komponisten, Lebensfreude, die sich in Gesang und Kostümen ausdrückt, und dem Kampf des Traumes mit der Realität sowie der Sehnsucht eines Menschen auf, dass der Traum gewinnen möge.

(RP)
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