Wuppertal Die Zukunft der Schwebebahn beginnt

Wuppertal · Die neue Wagengeneration hat ihre erste Testfahrt mit Bravour und im Blitzlichtgewitter ihrer Fans bestanden. Im Sommer soll es die Betriebsgenehmigung geben. Bis dahin wird weiter nachts getestet, geprüft und kontrolliert.

Alle Gespräche verstummen. Kein Wort. Kein Laut. Nur von hinten ruft jemand: "Fahr 'mal 100!" Alle anderen sind hochkonzentriert, drücken auf den Aufnahmeknopf ihrer Kameras oder auf den Auslöser ihrer Fotoapparate. Um 0.04 Uhr verlässt die neue Schwebebahn erstmals den Bahnhof Vohwinkel, gleitet sanft über die Köpfe der knapp 100 Zuschauer hinweg, entschwindet langsam im Blitzlichtgewitter.

Jahrelang haben Techniker, Ingenieure, Konstrukteure und Wagenbauer in Deutschland, der Schweiz und Spanien an den neuen Wagen der Wuppertaler Schwebebahn gearbeitet. 31 Stück sollen sie herstellen zum Gesamtpreis von etwa 130 Millionen Euro. Sie wussten, dass sie nicht irgendein Verkehrsmittel bauen, sondern eines der berühmtesten der Welt, keine Touristenbahn, sondern ein Transportmittel mit Geschichte - und mit mehr als 80 Millionen Fahrgästen im Jahr.

Während die neue Bahn sich langsam Richtung Haltestelle Bruch entfernt, fachsimpeln ihre Fans an der Kaiserstraße über das Wahrzeichen der Stadt. Es geht um den Umbau des Kaiserwagens, um die neue Generation. Siegfried Meisen kennt sich aus. Er ist Rentner und immer schon ein Freund der Schwebebahn. "Ich fahre oft", sagt er. Dass er auch die neuen Wagen nutzen wird, steht für ihn außer Frage. "Die werden nicht jeden Wagen so prüfen. Dann wären die in 13 Jahren ja noch nicht fertig", erklärt Meisen seinen Zuhörern. Er ist auch schon mit den Details vertraut, weiß, wo künftig die Wagennummer angezeigt wird.

Auch auf solche Kleinigkeiten kam es an, seit Designer und Konstrukteure vor knapp sechs Jahren begannen, sich mit dem Thema zu beschäftigten. Verzögerung folgte auf Verzögerung und der Grund war immer derselbe. "Das ist kein Produkt von der Stange", predigte der Vorstand der Wuppertaler Stadtwerke gebetsmühlenartig. "Dieses Verkehrsmittel gibt es nur einmal auf der ganzen Welt."

Über die Köpfe der knapp 100 Zuschauer hinweg schwebt Hochtechnologie. Mit ihren Vorgängern haben die neuen Wagen nur noch die Anmutung gemeinsam. 20 Kilometer Kabel versorgen Schaltteile mit Energie und Computer mit Daten. Ein Dutzend Experten nutzt die Jungfernfahrt dazu, den himmelblauen Wagen auf Herz und Nieren zu prüfen. Ingenieure beobachten und hören, Messgeräte zeichnen zahllose Daten auf.

Was die Schwebebahn den Wuppertalern bedeutet, zeigten sie im Dezember vergangenen Jahres. Damals kam der erste von 31 neuen Wagen auf einem Tieflader aus Valencia. Dort baut die Düsseldorfer Firma Vossloh Kiepe die Schwebebahnen zusammen. Wie schon Anfang der 1970er-Jahre kam die neue Generation in Vohwinkel an. Doch während damals gerade ein Dutzend Passanten davon Notiz genommen hatte, waren es im Dezember mehr als 5000. Es glich einem Volksfest, als die WSW die Plane am Tieflader aufzog und den Blick freigab auf die Wagenkästen.

Dieser pendelt bedenklich. Rechts und links auf dem Bahnsteig stehen Männer und schieben ihn seitlich im Rhythmus an. Es geht um Neigungswinkel, es geht um Fliehkräfte in Kurven, um Seitenwind. Es geht um Sicherheit. "Was wir testen wollten, ist sehr erfolgreich verlaufen", sagt Thomas Kaulfuss. Der Diplomingenieur ist Betriebsleiter bei den Stadtwerken. "Auf Nebenfeldern haben wir Schwächen festgestellt. Nichts Schlimmes, liegt wahrscheinlich an der Programmierung." Wird alles noch einmal und wieder kontrolliert. Sicher ist sicher.

Oben kommt die Bahn von der Station Hammerstein zurück. Unten steht Marcel Hap und kann seinen Blick nicht losreißen. "Ich bin Wülfrather. Aber ich sage immer, ich komme aus Wuppertal. Stimmt ja auch. Ich bin hier geboren." Dass es mittlerweile auf 2 Uhr zugeht und eiskalter Wind über die Kaiserstraße pfeift, stört ihn und die anderen Zuschauer nicht. Dieses Spektakel gibt es nur alle gut 40 Jahre.

(RP)
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