Remscheid "Flug in die Hölle" macht Remscheider weltberühmt

Remscheid · Nach einer Notlandung am 15. Mai 1932 in der australischen Wildnis warteten Hans Bertram und sein Co-Pilot 53 Tage auf Rettung. Beide überlebten unmenschliche Strapazen.

 Das Wasserflugzeug "Atlantis", eine Junkers W 33, mit dem die beiden Abenteurer notlanden mussten.

Das Wasserflugzeug "Atlantis", eine Junkers W 33, mit dem die beiden Abenteurer notlanden mussten.

Foto: Stadtarchiv Remscheid

Ein als Abenteuerflug getarntes Unternehmen in geheimer Mission endete in einer menschlichen Katastrophe: Sieben Tage mussten der Pilot Hans Bertram aus Remscheid und sein Bordingenieur Adolf Klausmann gänzlich ohne Wasser überstehen, bevor sie das Kühlwasser ihres Wasserflugzeuges tranken. Zwei Bananen, ein Fisch und eine Eidechse, das war's - 40 Tage überlebten die beiden Abenteurer fast ohne Nahrung, bevor sie von Eingeborenen im australischen Niemandsland entdeckt wurden. Und nochmal 13 Tage dauerte es, bis Suchmannschaften sie zurück in die Zivilisation brachten.

Was Bertram während dieser Zeit erlebte, fasste er 1933 in einem Buch zusammen, das, bis heute 2,5 Millionen mal gedruckt und in 20 Sprachen übersetzt, ein Bestseller werden sollte. Als der "Flug in die Hölle" 1984 in einer sechsteiligen Fernsehserie verfilmt wurde, kamen weitere Millionen Menschen hinzu, die das Schicksal des Remscheiders an den Bildschirmen teilten. Seine Ehe mit der Schauspielerin Gisela Uhlen, mit der er eine Tochter hat, sorgte für zusätzlichen Gesprächsstoff, bevor sie den Schauspieler Wolfgang Kieling kennenlernte und sich von Bertram scheiden ließ.

 Menschen aus zwei Welten haben ein Ziel - überleben. 13 Tage verbringen Hans Bertram und Adolf Klausmann bei Einheimischen.

Menschen aus zwei Welten haben ein Ziel - überleben. 13 Tage verbringen Hans Bertram und Adolf Klausmann bei Einheimischen.

Foto: Stadtarchiv Remscheid

Flieger, Abenteurer, Buchautor, Kriegsberichterstatter, Filmregisseur und schließlich Eigentümer eines Luftbildverlages - das Leben des Remscheiders Hans Bertram ist filmreif von Anfang an. Geboren wurde er an einem Rosenmontag, dem 26. Februar 1906, in der Werkzeugstadt. Sein Vater Hugo hatte eine Gastwirtschaft an der Nordstraße, wo der kleine Hans aufwuchs. "Manche wollen Straßenbahnfahrer oder Lokführer werden, ich wollte fliegen", erinnert sich Bertram 80-jährig in einem Interview.

Sein Vater macht seinen Traum wahr und bezahlt ihm eine Flugschulausbildung in Hamburg. Dort lernt Bertram einen anderen Flugschüler kennen, der seine Abenteuerlust zusätzlich entfachen sollte: Wenlin Tschen, ein Offizier Chiang Kai-sheks. Im geheimen Auftrag des Generals und chinesischem Staatspräsidenten, der später der Gegenspieler Maos werden sollte, unternimmt Bertram in Asien mehrere Langstreckenflüge mit dem Wasserflugzeug "Atlantis", einer Junkers W 33. Ziel der Mission: Bertram soll reiche Auslandchinesen überzeugen, Geld für die Aufrüstung der chinesischen Marine zu spenden. 93 Aufträge für die in Malmö von Junkers produzierten Wasserflugzeuge hat er bereits im Gepäck, als er am 15. Mai von der Insel Timor zur australischen Küste nach Port Darwin aufbricht.

Auf dem Nachtflug geraten die beiden Deutschen in einen Tropensturm. Ohne Funk und Sicht verlieren sie die Orientierung und werden rund 200 Kilometer nach Süden abgetrieben. Das Benzin reicht gerade noch, um die Küste zu erreichen. Es beginnt ein Überlebenskampf wie man ihn sich härter kaum vorstellen kann. Bei dem Versuch, Wasser und Nahrung zu besorgen, irren die beiden sieben Tage lang zu Fuß durch die Wildnis, kehren dann aber zum Flieger zurück, um Schutz vor der Sonne zu finden und Kühlwasser zu trinken. Unterwegs werden sie in einer Meeresbucht von Krokodilen verfolgt und verlieren ihr ganzes Gepäck mit Ausrüstung.

 Aborigines sind die Lebensretter der beiden Piloten. In seinem Buch dankt ihnen Hans Bertram und setzt ihnen ein literarisches Denkmal

Aborigines sind die Lebensretter der beiden Piloten. In seinem Buch dankt ihnen Hans Bertram und setzt ihnen ein literarisches Denkmal

Foto: Stadtarchiv Remscheid

Fast nackt graben sie sich nahezu komplett im Sand ein, um sich vor Moskitos zu schützen. Was Bertram als den "furchtbarsten Tag meines Lebens, die Nacht die uns nahezu wahnsinnig machte" beschreibt, liest sich so: "Der Körper ist unbeweglich im Grab unter den Sandmassen. Der rechte Arm ragt heraus. Über uns das unheimliche Surren der Moskitos und auf dem Arm die schmerzhaften Stiche dieser Quälgeister. Für Stunden halten wir diese Qualen aus ... Dann verlieren wir die Nerven, werfen den Sand von uns, springen auf und rennen umher, schreiend, wild um uns schlagend ... die Tiere setzen sich auf den Körper in die eiternden Wunden ... Wir müssen zurück in unser Grab."

40 Tage nach der Notlandung - Suchtrupps hatten die beiden bereits aufgegeben und für tot erklärt - findet ein Aborigine die völlig entkräfteten Männer. 13 weitere Tage später kehren sie zurück in die Zivilisation.

Die späte Rettung sorgt weltweit für Schlagzeilen und schafft es so gar auf Seite eins der "New York Times". 1993 stirbt Hans Bertram 86-jährig bei München und ist bis heute unvergessen. Das Remscheider Stadtarchiv verwaltet seinen Nachlass. Archivleiterin Viola Schwanicke verwahrt dort sorgsam Kisten voller Fotos, Briefe, Zeitungsartikel und Manuskripte.

(bu)
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