Remscheid Ein Klassenclown läuft zu großer Form auf

Remscheid · Die gute Nachricht für Chris Tall, den Jungstar unter den Komikern: Die Midlife-Crisis - im Alter stets eine gute Witz-Quelle - hat er noch vor sich. Die schlechte Nachricht: Der 24-Jährige steckt noch immer in der Pubertät.

Er präsentierte sein Programm "Selfie von Mutti! Wenn Eltern cool sein wollen ..." im ausverkauften Rotationstheater und lies keine Gelegenheit aus, seine Eltern durch den Kakao zu ziehen. Typisch für die Generation "Hotel Mama": Diese Nesthocker fühlen sich wortreich als Erwachsener und lassen sich trotzdem daheim bemuttern.

Heutzutage wohnt ein Drittel aller 18- bis 31-Jährigen noch zu Hause. Auf diese Zielgruppe hat sich Chris Tall eingeschossen. Wenn er so weitermacht, wird er schnurstracks von der Pubertät direkt in die Midlife-Crisis rutschen: Das Leben wird zum Spaßbecken, und Tall und seine Generation sind mitten drin. Aber warum auch nicht? Letztendlich ist das für den "Fetten ohne Bartwuchs" (Chris Tall) auch eine gute Nachricht: Sein Publikum altert mit ihm und wird sich der ausgesprochen guten Stimmung im Rotationstheater nach zu urteilen auch in späteren Jahren über seine Witze lauthals amüsieren.

Die Leute lachten sich schlapp, als Tall vorspielte, wie der 50-jährige Papa nach der Begutachtung seines neuen iPhones den Sprössling anbiedernd begrüßt: "Was geht App?" Peinlich, peinlich für die hippen Youngsters, die zur Castingshow im Fernsehen Muttis Bratkartoffeln genießen. In solchen glasklaren, sofort durchsichtigen, "christallenen" Witzen schimmert durchaus viel Selbstironie. Trieft das tatsächlich alles ohne großes Nachdenken aus dem 24-Jährigen heraus? Oder meint er damit gezielt sein Publikum und nicht sich selbst? Etwas locker flockig ganz nebenbei und zu leise bemerkte er: "Manchmal kommt schon Sch... aus meinem Mund - völlig normal." Dieser Wahnsinn hat intelligente Methode. Wer sich so unter dem Gebrüll der Leute runtermacht, hat keine Probleme, einen "Dennis" oder "Kevin" im Publikum bis auf die Knochen zu blamieren. Am Ende bringt der Satz: "Schäm' dich nicht, der Rest hat Spaß" alles wieder ins Lot. Ganz der Pubertäre macht sich Chris Tall zum Klassenclown. Viele Worte dafür braucht er nicht. Kurze nuschelige Situationsbeschreibung ("Papa sieht Sohn") und dann kommt: "Und er dann so:" Der Rest ist Pantomime. Das gelingt ihm blendend - er kann herrlich mit den Augen rollen und die feisten Wangen aufblasen wie etwa beim Nachspielen der Szene eines Horrorfilms, in dem "15-jährige Mädchen im Bikini nachts durch einen Wald laufen.

(RP)
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