Remscheid Ein Dialog mit leuchtendem Kirchturm

Remscheid · Eine gelungene Literaturperformance in der Stiftung Tannenhof eröffnete ein sechsteiliges Kunstprojekt.

 Der Schlagzeuger Mickey Neher gehörte zum Team der Künstler, die vor der Kirche der Stiftung Tannenhof mit Musik, Licht und Textzitaten in einen Dialog mit dem Gebäude traten.

Der Schlagzeuger Mickey Neher gehörte zum Team der Künstler, die vor der Kirche der Stiftung Tannenhof mit Musik, Licht und Textzitaten in einen Dialog mit dem Gebäude traten.

Foto: Jürgen Moll

Sechs Sonnenuntergänge, sechs Türme, sechs Literaturperformances, sechs Musiker - so beschreibt Andy Dino Iussa das Kunstprojekt "4 + 2 Türme". Er ist der Initiator und hat es zusammen mit dem Schauspieler Olaf Reitz auf die Beine gestellt. Das Konzept: Ein Schauspieler unterhält sich mit einem "sprechenden" (Kirch-)Turm. Der Clou dabei: Beide - Turm und Mensch - werfen sich Literaturzitate von Goethe über Büchner, Shakespeare und Horváth bis Rilke im Rahmen eines Dialoges um die Ohren.

Der Turm "spricht" mittels Technik. Seinen Dialogtext hat Iussa vorher gesprochen und aufgezeichnet. Der Text wird bei der Performance per Knopfdruck abgerufen und dröhnt mittels Lautsprecher von oben auf Olaf Reitz ("Mensch") und die Zuhörer herab. "Mensch" antwortet auf Fragen, stellt selbst welche, spricht über seine Gedanken und Befindlichkeiten.

Der Turm, so scheint es, fungiert als Ratgeber. Ab und zu unterbricht ein Musiker den Dialog - quasi eine formale Pause zum Ausruhen und Nachdenken. Heuer verlässt das Projekt nach vier Jahren erstmalig Wuppertal und zieht mit dem Sonnenuntergang gen Westen zu sechs Türmen ins Bergische.

Das diesjährige Motto: "Sicher ist sicher". Start war der Sonntagabend um 20:35 in der Stiftung Tannenhof; es sprach der Turm der dortigen Kirche. Als Gastmusiker trommelte und sang der Schlagzeuger Mickey Neher-Warkocz. Iussa hatte diesem Abend ein Zitat von Goethe vorangestellt: "Der ist schon tot, der um seiner Sicherheit willen lebt." Geschätzte 40 Besucher hatten sich zu dieser Performance eingefunden. Sie lauschten nach oben und horchten auf Trommeln, Becken und Stimmbänder. Das Ambiente war grandios: der Turm angestrahlt, ringsum beschauliche, vom Frühling wach geküsste Natur, letze Sonnenstrahlen machten einem frischen Lüftchen Platz. Eine Atmosphäre zum Kuscheln und Genießen. Wer sich darauf einließ, bei dem machten sich Glücksgefühle breit. Wenn ihm nicht die schnelle Abfolge der Zitate die Sinne vernebelte.

Es war unmöglich, die Gedankengänge von Turm und Mensch nachzuverfolgen, zumal viele Zitate die grauen Zellen erst einmal durch die Mangel drehten, bevor sie sich dort niederlassen konnten. Die Folge bei vielen Zuhörern: Ratlosigkeit. "Was ist der rote Faden?", fragte jemand. Der aufmerksame Zuhörer Dr. Paul J. Gebske konstatierte am Ende: "Sehr kryptisch, das Ganze."

Reitz und Iussa klärten anschließend im Gespräch auf: Es sei wie im Theater, irgendetwas bleibe auf jeden Fall hängen. "Der eine, unwiederbringliche, individuelle Moment zählt", sagte Reitz. Ja, da hatte er recht. Auch wenn dieser Moment aus der Erkenntnis entstand: "Egal, schön war es doch."

Nächsten Sonntag geht's weiter um 20:47 Uhr vor Heilig Kreuz, Richard-Pick-Straße 7, in Lüttringhausen.

(begei)
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