Remscheid Die Tafel kommt an ihre Grenzen

Remscheid · Die Zahl der Bedürftigen für die Lebensmittelausgabe ist auf 3000 gestiegen. Ohne weitere Spenden wird es schwer.

 Essenausgabe der Remscheider Tafel in der Innenstadt im Vaßbendersaal. Hier ist die Tafel immer mittwochs präsent.

Essenausgabe der Remscheider Tafel in der Innenstadt im Vaßbendersaal. Hier ist die Tafel immer mittwochs präsent.

Foto: Nico Hertgen

3000 Menschen besitzen in Remscheid einen Ausweis, der ihnen den Zugang zur Lebensmittelausgabe an den Ausgabestellen der Tafel sichert. 3000 - so viele Bürger waren es noch nie. Es gibt zwei Gründe für den Anstieg. Die Zahl der Menschen, die in Bedarfsgemeinschaften leben, wird immer größer. Zurzeit liegt sie bei etwa 12000. Hinzu kommen nun verstärkt die Flüchtlinge, die nach ihrer Anerkennung auch Anspruch auf Hartz IV haben. "Wir kommen mit dem Essen im Augenblick noch einigermaßen hin", sagt Sandra Kubiak, Geschäftsführerin der Tafel.

Vor gut zwei Monaten zeigte sich die Lage deutlich angespannter. Seitdem nun alle 14 Tage Vertreter der Tafel mittwochs auf dem Wochenmarkt stehen, um Konserven zu sammeln, gibt es wieder mehr zu verteilen. Im Dezember fuhr die Tafel zwei Laster mit Lebensmittelspenden in ihr Lager. Im Januar haben die Spenden der Bürger deutlich nachgelassen, sagt Kubiak. Sie hofft, dass es im Februar wieder anzieht.

Der Anstieg der Bedürftigen in Remscheid hat Konsequenzen. "Es gibt nur noch eine Tüte", sagt Sandra Kubiak. Früher waren es auch mal zwei. Die kleineren Portionen haben vor zwei Monaten noch zu Unmut in den Schlangen vor der Ausgabe geführt. "Die Menschen haben es aber inzwischen akzeptiert", sagt Kubiak.

Lebensmittelausgabe am Vaßbendersaal im Stadtzentrum. Die Kunden der Tafel spüren die höhere Belastung. Ihre vollen Namen wollen sie nicht in der Zeitung sehen. Christian V. zum Beispiel kommt regelmäßig zur Ausgabe am Vaßbendersaal. "Etwas weniger ist es schon geworden", sagt er. "Aber es reicht immer noch. Ich bin dankbar, dass es überhaupt etwas gibt." Auch Fatma Ü., die zusammen mit ihrer Tochter ihren Mann zum Termin an der Stadtkirche begleitet hat, ist dankbar. "Im Koran steht, dass wir teilen sollen", sagt sie. "Auch wenn es jetzt für alle etwas weniger gibt, sollten wir froh sein, dass man uns überhaupt hilft. Auch die Flüchtlinge kommen nicht her, weil sie es so schön finden."

Kunde Marcos R. hingegen hat bisher noch überhaupt nichts von einer größeren Belastung für die Tafel bemerkt. "Bisher habe ich eigentlich nicht festgestellt, dass ich weniger habe als sonst", sagt er. "Es ist ab und an nur ein bisschen voller. Wenn das aber so ist, dann ist es richtig so. Jedem, der Hilfe braucht, sollte auch geholfen werden."

Der Regelsatz für Menschen, die Hartz IV empfangen, liegt zurzeit bei 405 Euro pro Monat für einen Erwachsenen. Davon muss er seinen ganzen Lebensunterhalt bestreiten. Die Miete übernimmt die Stadt. Statistiker haben berechnet, dass einem Hartz IV Empfänger etwa 135 Euro für Lebensmittel pro Monat bleiben. Das sind etwa 4.50 Euro pro Tag. Jede Tüte mit Lebensmittel entspannt die trübe Haushaltslage. "Wir sind keine Vollverpfleger", sagt Kubiak. Die Tafel unterstützt Menschen, die am Existenzminimum leben. Das Geld, das die Leute durch die Lebensmitteltüten einsparen, könnten sie für den Besuch im Kino, im Theater oder in einem Restaurant ausgeben. "Die Menschen sollen nicht weiter in eine soziale Isolation rutschen", beschreibt Kubiak den erweiterten Sinn der Tafel.

Der Verein lebt von Spenden und Mitgliederbeiträgen. An Menschen, die helfen wollen, besteht kein Mangel. "Es melden sich bei uns ständig Leute, die bei der Essensausgabe helfen wollen", sagt Kubiak. Zurzeit sind es gut hundert. Es existiert eine Warteliste.

Größere Probleme bereitet der Geschäftsführerin im Augenblick die Ausstattung mit Computern, mit denen die ganze Logistik organisiert wird. Die alten Rechner funktionieren nicht mehr zuverlässig. Doch woher die 400 bis 500 Euro für einen neuen PC nehmen?

In Remscheid leben zurzeit 1500 Flüchtlinge. Viele von ihnen werden wahrscheinlich bleiben. Alle rechnen damit, dass Remscheid in den nächsten Jahren weitere Flüchtlinge integrieren muss. Ohne Ausbildung und Arbeit landen diese Menschen auf der Liste der Hartz IV-Empfänger. Kann die Tafel noch 400 Menschen mehr verkraften? "Nein, das ist unmöglich", sagt Sandra Kubiak.

(RP)
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