Remscheid Die Steine fliegen von rechts

Remscheid · In Remscheid hat es in den vergangenen Monaten vermehrt Angriffe auf eine karitative Einrichtung und deren Mitarbeiter gegeben. Die Polizei vermutet eine rechtsextreme Gruppierung hinter den Taten. Betroffene setzen auf Mithilfe aus der Nachbarschaft.

 Dieser Stein zerstörte das Schaufenster des Caritas-Lotsenpunkts im August. Mit den Maßen 50 mal 20 Zentimeter ist er so schwer, dass der Täter ihn vermutlich mit dem Auto transportiert hat. Polizei

Dieser Stein zerstörte das Schaufenster des Caritas-Lotsenpunkts im August. Mit den Maßen 50 mal 20 Zentimeter ist er so schwer, dass der Täter ihn vermutlich mit dem Auto transportiert hat. Polizei

Foto: Jan Dobrick,

Steinwürfe, schriftliche Anfeindungen und Schmierereien mit rechten Parolen überall in der Stadt - dieses Jahr ist kein gutes Jahr für karitative Einrichtungen und Flüchtlingshelfer in Remscheid. Die Ermittlungen von Polizei und Staatsschutz dauern an, Schuldige wurden bisher nicht gefasst. Sicher ist aber: Die Täter sind Rechtsextreme, wahrscheinlich sogar eine ganze Gruppe.

"Wir sind uns sicher, dass es eine politische Motivation gibt", sagt Polizeisprecherin Anja Meis. "Alle Geschädigten engagieren sich in der Flüchtlingshilfe. An allen zerstörten Autos waren Aufkleber mit dem Spruch ,Refugees Welcome' zu finden." Obwohl Zeugen mehrere Taten beobachtet hatten, konnten bisher keine Täter festgenommen werden. Vieles spricht aber dafür, dass es sich nicht nur um eine Person handelt, sagt Meis. "Wir haben leicht abweichende Täterbeschreibungen. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass es sich um mehrere Personen oder gar eine Gruppe handelt." Aber auch Trittbrettfahrer seien nicht auszuschließen.

Rechte Szene im Bergischen

Von einer rechtsextremen Szene will Anja Meis nicht sprechen, aber ausschließen will sie es auch nicht. "Wandschmierereien mit rechten Parolen prägen das Stadtbild. Wir wissen, dass Rechtsextreme im Bergischen Städtedreieck leben - ähnlich wie bei den Salafisten. Es ist auch möglich, dass sie untereinander vernetzt sind. Das wissen wir aber erst sicher, sobald wir die Täter haben."

Immer wieder haben Unbekannte die Schaufenster des Flair-Weltladens in Lüttringhausen und des Caritas-Lotsenpunkts in Lennep mit massigen Steinen eingeworfen, auch die Scheiben von Gemeindehäusern und Autos der Ehrenamtlichen lagen mehrmals in Scherben. Die Steinwürfe gehen wohl alle auf das Konto derselben Täter. Ob die Wandschmierereien auch damit zusammenhängen, ist allerdings unklar. Eigentlich, sagt Anja Meis, passe es nicht in das Täterprofil.

Für Sandra Engelberg, Vorsitzende der Remscheider Caritas, ist die Motivation der Anschläge eindeutig: Die Täter wollten Angst verbreiten. Wie Rundbotschaften fanden die Mitarbeiter zu Beginn des Jahres schriftliche Anfeindungen im Briefkasten oder unterm Scheibenwischer. Kurz darauf fliegt nachts der erste Stein in das Schaufenster des Caritas-Lotsenpunkts. Im Oktober zerstören die Unbekannten die Scheibe zum vierten Mal.

Mitarbeiter sind versunsichert

"Es macht mich betroffen", sagt Sandra Engelberg. "Unsere Ehrenamtlichen stecken so viel Herzblut in ihre Arbeit und sollen durch die Attacken eingeschüchtert werden." Dass sich Verunsicherung unter den Mitarbeitern breitmache, bleibe nicht aus. "Man überlegt zwei Mal, wo man sein Auto hinstellt oder ob man es mit einem Aufkleber kennzeichnet."

Dennoch soll sich wegen der Angriffe nichts ändern. "Wir wollen uns nicht einschüchtern lassen und machen mit unserer Arbeit weiter wie zuvor." Als Verband sei die Caritas in einer starken Position: "Noch schlimmer finde ich, wenn Einzelpersonen betroffen sind. Wir als Verband werden eher trotzig und sagen uns: jetzt erst recht." Unterstützt wird die Einrichtung von Nachbarn, die ihre Solidarität bekundet haben. "Es lässt hoffen, dass die Masse hinter uns steht und die Ansichten der Steinewerfer nur Einzelmeinungen sind."

Auch Susanne Peters-Gößling, Pfarrerin bei der evangelischen Kirchengemeinde in Lennep, hat mehrere Steinwürfe auf die Gemeindehäuser miterlebt. Dort soll ein neuer Bewegungsmelder für Licht und hoffentlich mehr Sicherheit sorgen. Die Pfarrerin setzt aber auch auf die Mithilfe aus der Umgebung: "Die Leute sind aufmerksamer geworden. Vor allem unsere Nachbarn halten die Augen offen und haben die Tat im Oktober beobachtet." Auch die Polizei setzt sich dafür ein, dass sich die Gemeindemitglieder und Ehrenamtlichen sicher fühlen können, sagt Polizeisprecherin Anja Meis. "Wir sind an den betroffenen Punkten sehr präsent - mit uniformierten und zivilen Kräften."

(RP)
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