Remscheid Des Kaisers Prachtbau hat viele versteckte Winkel

Remscheid · Das Remscheider Rathaus hat so viele Überraschungen zu bieten, dass selbst die Denkmalpflege staunt. Bei einer Führung können Besucher auch versteckte Ecken der architektonischen Perle der City entdecken.

 Eine Konstruktion aus Holz und Stahl trägt den stolzen Rathausturm. Er ragt 60 Meter hoch in den Himmel und prägt ganz wesentlich das Aussehen des repräsentativen Bauwerks.

Eine Konstruktion aus Holz und Stahl trägt den stolzen Rathausturm. Er ragt 60 Meter hoch in den Himmel und prägt ganz wesentlich das Aussehen des repräsentativen Bauwerks.

Foto: Hertgen, Nico (hn-)

Im Vorzimmer zum ehemaligen Tresorraum des Remscheider Rathauses sitzt heute Eva Rosa umringt von gut gelaunten Lichterketten und kümmert sich mit ebenso guter Laune um das Beschwerdemanagement der Stadt. Wer also unbedingt mal etwas los werden möchte, ist hier genau richtig. Früher war das etwas anders. In diesen Räumen war nämlich das Einziehungsamt der Stadt. Daran erinnert heute nur noch die schwere Sicherheitstür zum Tresorraum, der heute nur noch nostalgische Werte beherbergt, wie Saisondeko, denn Eva Rosa ist auch für die Außenwirkung der Stadt verantwortlich. Auch die alte Gittertür zum Tresor, versteckt sich nun hinter Regalen.

Das Remscheider Rathaus türmt sich beinahe trutzburgartig auf dem Kegel der "Seestadt auf dem Berge". Das massive Bauwerk ist eines der architektonischen Höhepunkte im Bergischen Städtedreieck und als solches auch Perle der City. Doch nicht nur in der exklusiven Lage am Theodor-Heuss Platz 1 - ein ehemaliger Stadtverordneter soll gesagt haben, die Lage sei der einzig schöne Platz im Bergischen Land, um den andere Städte die Remscheider sicherlich beneiden - manifestiert sich das Obrigkeitsdenken aus dem wilhelminischen Absolutismus. Das Rathaus wurde zwischen 1902 und 1906, also zur Blüte Kaiser Wil-helms II erbaut.Der Burgcharakter demonstriert die zeitgenössichen Allmacht des Staats, die es stolz zu repräsentieren galt. Dabei finden sich in den Mauern noch heute viele verschiedene Bauepochen, gemäß des Stilpluralismus wie er im Historismus oft zu finden war. Das Grundgerüst aus drei Flügeln lehnt etwa an mittelalterliche Kommunalbauten an. Die Bauart der Gebäudeteile an die Neo-Renaissance, die Rundbögen der Fenster und Türen sind romantisch.

 Unterwegs im Rathaus mit Renate Fallkenberg von der städtischen Denkmalbehöre und Thomas Judt, Leiter des Gebäudemanagements.

Unterwegs im Rathaus mit Renate Fallkenberg von der städtischen Denkmalbehöre und Thomas Judt, Leiter des Gebäudemanagements.

Foto: Hertgen, Nico (hn-)

Allein eine Übersicht über die vielen verschiedenen Epochen der insgesamt 559 Fenster zu erlangen, hat einige Zeit gedauert, erzählt Renate Falkenberg von der städtischen Denkmalbehörde. Auch für die Architektin steckt das Rathaus noch voller Überraschungen. Erst kürzlich hat ein Wasserschaden im Zimmer des Stadtkämmeres Sven Wiertz ganz zufällig ein Stück Historie zum Vorschein gebracht. Hinter der Holzvertäfelung aus den 1950er Jahren versteckt sich die rohe Steinmauer mit Kriegsschäden . Am Morgen des 31. Juli 1943 warfen britischen Kampfbomber Brandbomben auf das Rathaus. Der Dachstuhl und das zweite Obergeschoss brannten dabei aus. Nur im linken Dachstuhlflügel findet man deshalb heute noch das bauzeitliche Tragwerk aus Stahl.

Der Wiederaufbau des Rathauses begann 1950 und dauert zwölf Jahre. Dabei nutzte man die Gelegenheit, sich von der Schwere der wilhelminischen Zeit zu befreien. Besonders die vielen Fenster sollten der wehrhaften Trutzburg ein offeneres Gesicht verleihen. Aber auch der Ratssaal wurde deutlich entschlackt, erhielt etwa puristischere Fenster und einen weniger prunkvollen Kronleuchter. Von den schweren Lederstühle würden sich manche Ratsmitglieder aber auch heute noch gerne verabschieden, weiß Denkmalpflegerin Renate Falkenberg; an dem Leder würden die Hosen so wunderbar kleben.

Die Fensterrahmen erhielten nun einen weißen Anstrich; mit dem bauzeitlichen Rotbraun wollte man die Fenster noch möglichst unauffällig halten, schließlich gewähren die 2256,44 Quadratmeter Fensterfläche den nötigen Weitblick rund um die Stadt.

 Dem Publikum verborgen bleiben die verwinkelten Gänge des Rathaus-Kellers mit seinen Lagerräumen.

Dem Publikum verborgen bleiben die verwinkelten Gänge des Rathaus-Kellers mit seinen Lagerräumen.

Foto: Hertgen, Nico (hn-)

Der Remscheider Verwaltung kann man also ganz offiziell die nötige Weitsichtigkeit zuordnen. Ganz besonders vorausschauend müssen natürlich Oberbürgermeister und Stadtkämmerer sein, die ihre Büros in einem der strategisch wichtigen Eckzimmer haben. Von hier aus, können sie also mehr als nur eine Seite im Blick haben. Auch für dieses Eigenschaft bietet das Rathaus die räumliche Voraussetzung. Der Oberbürgermeister hat zusätzlich noch einen Balkon. Wenn das für den nötigen Überblick nicht reichen sollte, kann Burkhard Mast-Weisz auch auf den 60-Meter hohen Belfried, den Glockenturm des Rathauses klettern.

Er kann aber auch die beiden Fahrstühle der 1950er/60er Jahre nehmen. Die Turmuhr (Foto) musste bis vor wenigen Jahren noch per Hand nachgestellt werden, erinnert sich Thomas Judt, Leiter des städtischen Gebäudemanagements. Auch die Dachhaube sowie die Laterne mussten nach dem Krieg rekonstruiert werden. Dafür kann im kuschligen Turmstübchen inzwischen geheiratet werden.

 Warm und wertig wirkt der Holzboden im Zimmer des Oberbürgermeisters und schafft so eine angenehme Arbeitsatmosphäre.

Warm und wertig wirkt der Holzboden im Zimmer des Oberbürgermeisters und schafft so eine angenehme Arbeitsatmosphäre.

Foto: Hertgen, Nico (hn-)
 Aufwändig gestaltet ist der Eingang zum Büro des Kulturdezernenten Christian Henkelmann.

Aufwändig gestaltet ist der Eingang zum Büro des Kulturdezernenten Christian Henkelmann.

Foto: Hertgen, Nico (hn-)

Viele Stockwerke weiter unten findet sich findet sich der neueste Stil im Rathaus. Seit Oktober wird im Ratskeller nämlich asiatisch gekocht. Inhaber Chunzhu Zhou und ihr Mann Xiaogeng Chen haben an prominenter Stelle über der Theke einen Teil des alten Remscheids behalten und einen Teil der bauzeitlichen Kassettendecke freigelegt.

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