Remscheid Das Rathaus verliert seine gute Seele

Remscheid · Über 20 Jahre war Bernhard Werth Pförtner im Rathaus. Zum 1. Dezember geht der 63-Jährige in den Ruhestand - allerdings geht er nicht so ganz. Als Aushilfe bleibt er den Bürgern seiner Stadt am Empfang erhalten.

 Für alle Bürger und die Kollegen im Rathaus hatte der 63-Jährige stets ein Lächeln parat.

Für alle Bürger und die Kollegen im Rathaus hatte der 63-Jährige stets ein Lächeln parat.

Foto: Jürgen Moll

Er hat viele Menschen kommen und gehen sehen. Nicht nur vier verschiedene Oberbürgermeister, zahlreiche Bürger, Ratsmitglieder oder Verwaltungsmitarbeiter. Auch den ein oder anderen illustren Gast durfte Bernhard Werth in seiner langjährigen Tätigkeit an den Türen des Remscheider Rathauses begrüßen. Die Begegnung, die ihm dabei am meisten in Erinnerung geblieben ist, war jene mit der ehemaligen Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalens, Hannelore Kraft. Denn bei dieser Gelegenheit erhielt er seinen Beinamen: "Frau Kraft kam zu Besuch, als Beate Wilding Oberbürgermeisterin war. Und sie stellte mich ihr vor als 'gute Seele des Hauses'", sagt Werth nicht ohne Stolz.

Für alle Bürger und Kollegen hatte der 63-Jährige stets ein Lächeln parat. Angefangen hatte seine städtische Karriere 1983 im Fuhrpark. 1995 wurde er von dem damaligen Oberbürgermeister Reinhard Ulbrich ins Rathaus geholt. "Als ich ins Rathaus kam, gab es hier noch eine Telefonzentrale", erinnert sich Werth lebhaft. Er nahm Anrufe entgegen und leitete diese, je nach Anliegen, an die zuständige Behörde weiter.

Am Anfang gar nicht so einfach: "Im Büro lag ein großes Telefonbuch aus, mit Namen und Nummern der Mitarbeiter. Aber die kannte ich alle nicht." Zu umständlich, darin herumzublättern, während der Bürger am anderen Ende der Leitung auf Weitervermittlung wartete, dachte sich Werth und tippte als erstes das komplette Verzeichnis auf einem Computer ab, ergänzte es mit Informationen über die Funktionen der jeweiligen Mitarbeiter und speicherte seine Datei auf Diskette ab. Wohl eine der ersten Digitalisierungsmaßnahmen im Remscheider Rathaus.

Neben seinem Dienst in der Telefonzentrale, die 2009 endgültig abgeschafft wurde, war Werth all die Jahre auch für das Haus verantwortlich. 22 Jahre lang hatte er die Spätschicht inne und war somit auch als Schließmeister im Dienst, schloss abends die Türen ab und machte vor Feierabend noch einen letzten Rundgang durch das verlassene Rathaus. Die Ratssitzungen unter Fred Schulz als Oberbürgermeister werden Werth dabei auf ewig als längste Sitzungen in Erinnerung bleiben: "Da ging kaum eine Sitzung vor 23 Uhr zu Ende - und ich war dann teilweise noch bis ein Uhr morgens im Rathaus. Das hat sich zum Glück geändert."

Auch wenn der 63-Jährige immer ein sehr geselliger Zeitgenosse war, seinen letzten Rundgang im menschenleeren Rathaus hat er besonders genossen: "Das ist ein sehr schönes Gefühl, eine ganz besondere Atmosphäre, wenn damals im Dachgeschoss die alten Balken quietschten. Das tun sie seit der Renovierung nicht mehr, aber trotzdem ist es schön hier", erzählt der 63-Jährige mit etwas Wehmut. Das Rathaus empfindet er als zweites Zuhause, "so viele Stunden, wie ich jetzt hier verbracht habe", erläutert er - und schmunzelt.

Im Dachgeschoss hatten es sich eines Abends zwei Männer gemütlich gemacht: "Normalerweise schließe ich zwischen 17 und 18 Uhr die Seitentüren zu, lasse nur noch den Haupteingang offen. Und irgendwie müssen sich damals aber zwei Männer ins Rathaus geschlichen haben, die dann im warmen schliefen." Bemerkt wurde das von einer Reinigungskraft, die meinte, Schnarchgeräusche aus dem Dachgeschoss zu vernehmen. "Ich dachte zuerst, es sei das Quietschen der Balken." Entsprechend groß fiel die Überraschung aus, als Werth nachsah.

Als handwerklicher Allrounder und langjähriger Ehrenamtler beim Deutschen Roten Kreuz - nun schon seit 50 Jahren - war Werth auch bei Veranstaltungen auf dem Rathausvorplatz behilflich, verlegte Kabel, sorgte bei Einbruch der Dunkelheit für genügend Licht für Auf- und Abbauten. "Ich habe es immer bevorzugt, über den kurzen Dienstweg zu helfen, statt für eine Glühbirne die gesamte Maschinerie in Gang zu setzen." Eine besonders schöne Veranstaltungen, sagt Werth, sei das Finale für den WDR2-Tag gewesen, aber auch das "Public Viewing" zu Europa- und Weltmeisterschaften hätte ihm gefallen.

Auch wenn am Freitag offiziell sein Ruhestand beginnt, ganz wird Werth das Rathaus nicht verlassen. Da seine Stelle wohl nicht neu besetzt, sondern eventuell ausgelagert wird, bleibt er als Aushilfe den Bürgern der Stadt erhalten - wie immer mit einem freundlichen Lächeln am Empfang.

(RP)
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