Remscheid Das Klassenzimmer als Kampfzone

Remscheid · Lehrer an Remscheider Grundschulen erzählen von ihren Erfahrungen mit Gewalt von Schülern gegen sie.

Remscheid: Das Klassenzimmer als Kampfzone
Foto: Caro

Immer mehr Schüler verlieren den Respekt vor ihren Lehrern. Sie werden beschimpft, bespuckt und getreten. Aus Sicht von Schulrätin Brigitte Dörpinghaus handelt es sich nur um Einzelfälle an Remscheider Grundschulen, wie sie kürzlich im Schulausschuss behauptete. Kein Thema also? Nach Informationen der Bergischen Morgenpost gibt es zunehmend Probleme mit aggressiven Schülern an Grundschulen. Die Schulen haben Angst, dass die Probleme publik werden. Sie stehen in Konkurrenz zueinander und sind auf einen guten Ruf bedacht, damit die Anmeldezahlen stimmen. Auch Lehrer scheuen sich, mit Namen in der Zeitung zu stehen. Sie fürchten disziplinarische Konsequenzen. Anonym haben sich dennoch mehrere Lehrerinnen und Lehrer bereiterklärt, Erfahrungen aus dem Schulalltag zu schildern. Erfahrungen, die so klingen, als wäre das Klassenzimmer zu einer Kampfzone ausgeweitet worden.

Beispiel eins

"Zu Beginn der Unterrichtsstunde sitze ich mit den Kindern im Stuhlkreis. Junge X hat seine dicke Winterjacke an und ich bitte ihn, diese auszuziehen. Der Junge geht an seinen Platz - aber anstatt die Jacke auszuziehen, setzt er seine Mütze auf und den Schulranzen auf den Rücken und macht sich auf den Weg zur Klassentüre. Ich will ihn dort aufhalten und ihn zum Umkehren bewegen. Er beginnt laut zu schreien, nach mir zu treten und gegen die Türe zu treten. Eine Kollegin aus der Nachbarklasse kommt mir zur Hilfe, und gemeinsam versuchen wir, den Jungen zu beruhigen. Das Gegenteil passiert. Der Junge tritt und schlägt nach uns, versucht wegzulaufen, tritt gegen eine geschlossene Zwischentüre, klettert auf die Fensterbank im Flur und hämmert gegen die Fensterscheibe. Er wirft seinen Schulranzen durch den Flur und schreit wie ein Tier. Erst mit Hilfe einer dritten Lehrerin gelingt es, ihn in einen leerstehenden Raum zu bringen. Die Mutter holt ihn später ab."

Beispiel zwei

"Nach dem Sportunterricht kommt es in der Jungenumkleide zu Handgreiflichkeiten. Ein Junge wird von einem anderen brutal gegen die Bank geschubst. Als ich den Vorfall klären möchte, ist der Verursacher nicht bereit zuzuhören, sondern wendet sich ab und will weggehen.

Ich halte ihn am Arm fest. Daraufhin tritt er mich feste gegen das Schienbein und spuckt mir ins Gesicht. Ich lasse los und wische mir angeekelt die Spucke ab. Das Ekelgefühl begleitet mich danach lange Zeit und kommt beim Schreiben dieser Zeilen erneut hoch."

Beispiel drei

"Sehr häufig erhalten wir Sprüche von Kindern mit Migrationshintergrund wie zum Beispiel: ,Wer Schweinefleisch isst, ist ein Schwein.' Oder: ,deutsche Frauen sind Schlampen, weil sie vor der Ehe Geschlechtsverkehr haben.' Oder: ,deutsche Frauen stinken, weil sie sich nicht am Körper rasieren'.

Diese Beispiele - und es gibt noch mehr - werfen Schlaglichter auf eine Facette des Schulalltags, der weit entfernt ist von den Zielen eines angstfreien Lernorts. Gewalt vergiftet die Atmosphäre. Eine Lehrerin schreibt: "Dass ich selbst noch nicht verletzt wurde, ist ein Wunder. Heftige Verletzungen bei unbeteiligten Schülern habe ich häufiger erlebt. Dieser permanente psychische Druck aufgrund meiner Verantwortung ist für mich auch Gewalt."

(RP)
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