Remscheid Briefe über die Erfahrungen von Flüchtigen

Remscheid · Kunstprojekt "Lebensläufer" des WTT will auf das dramatische Schicksal von Betroffenen aufmerksam machen.

Haben sich ein zum Ende des Zweiten Weltkriegs geflüchteter Oberschlesier und ein minderjähriger Flüchtling aus Syrien etwas zu sagen? Haben sie aufgrund ihrer Flucht gemeinsame Erfahrungen, die sie miteinander teilen? Rund um diese Fragen kreist das Projekt "Lebensläufer", das jetzt vom Westdeutschen Tourneetheater Remscheid (WTT), dem Jungen Theater Leverkusen und der Theater-Initiative Brachland-Ensemble gestartet wurde.

Es will Brieffreundschaften zwischen jungen Flüchtlingen und Senioren knüpfen, die nach dem Krieg vertrieben wurden. Bis zu 15 Brieffreundschaften will das Vorhaben stiften: Entstehen soll daraus eine Dokumentation und eine künstlerische Produktion.

Es gehe darum, "die beiden Gruppen zueinander zu führen", sagt Dominik Breuer vom Brachland-Ensemble. Im Mittelpunkt stünde der "Austausch der Erfahrungen" der verschiedenen Generationen, ergänzt Claudia Sowa vom WTT. Der Flüchtling solle "ein Gesicht bekommen" und aus der anonymen Masse herausgeholt werden, betont Eric Rentmeister, der ebenfalls zur Brachland-Ensemble gehört.

Dabei gehe es nicht darum, den Dialog in eine bestimmte - quasi pädagogisch wertvolle - Richtung zu steuern. Die beiden Briefpartner könnten auch feststellen, dass sie sich nichts oder wenig zu sagen haben. "Diese Straße kann auch eine Sackgasse sein", räumt Breuer ein.

Gleichwohl hofft das Trio natürlich eher auf eine vielbefahrene Dialog-Autobahn. Die Briefeschreiber seien völlig frei in der Themenwahl, Dolmetscher sollen die Briefe in die Zielsprache des Adressaten übersetzen. "Je alltäglicher der Austausch ist, um so mehr bekommt man einen Eindruck von der Situation des anderen", sagt Breuer.

In Seniorenheimen und in Flüchtlingsunterkünften sollen nun Interessenten gefunden werden. Beteiligen können sich auch andere Personen, die Fluchterfahrungen gemacht haben - zum Beispiel Spätaussiedler oder "Republikflüchtlinge" der ehemaligen DDR.

Die Briefkorrespondenzen sollen zum Ende dieses oder Anfang kommenden Jahres in einer dokumentarischen Ausstellung gezeigt werden, hinzu kommt die künstlerische Umsetzung des Stoffes. Derzeit ist noch unklar, wie die Produktion aussehen soll - ob es eine Lesung, ein Live-Hörspiel oder eine Aufführung mit Musik wird. "Die künstlerische Form passt sich dem Inhalt an", erklärt Sowa. Eins stehe allerdings schon fest: Im Gegensatz zu anderen Inszenierungen mit Flüchtlingen will das Projekt die Angekommenen nicht auf eine Bühne holen und dem Publikum präsentieren. "Wir wollen kein Betroffenheitstheater sein", betont Breuer. Es sei falsch zu glauben, dass man durch die Einbindung von Flüchtlingen in ein Theaterstück eine besondere Authentizität schaffe.

Das Projekt richtet sich an Teilnehmer aus dem Bergischen Land und Leverkusen. Interessenten können sich ab sofort per E-Mail www.wtt-remscheid@t-online" oder telefonisch (02191-32285) melden.

Die Ausstellung und die Produktion sollen in Leverkusen und Remscheid gezeigt werden. Auch eine Deutschland-Tour ist geplant.

(RP)
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