Remscheid Angst und Elend in Zeiten der Flucht

Remscheid · Autorin Olga Grjasnowa liest in der Zentralbibliothek und vor Schülern in Hackenberg.

 Zum Organisationsteam der Interkulturellen Lesereihe gehören (v.l.) Michaela Pappas, Dolores Smith und Wolfgang Luge. Die Autorin Olga Grjasnowa (r.) liest aus ihrem Buch "Gott ist nicht schüchtern".

Zum Organisationsteam der Interkulturellen Lesereihe gehören (v.l.) Michaela Pappas, Dolores Smith und Wolfgang Luge. Die Autorin Olga Grjasnowa (r.) liest aus ihrem Buch "Gott ist nicht schüchtern".

Foto: Foto (cip, Verlag)

Die Zeiten, in denen Menschen mit Migrationshintergrund nur eine kleine Gruppe der Gesellschaft bilden, sind vorbei. Schon lange vorbei. Gerade in einer Stadt wie Remscheid mit seinen Bürgern aus über 120 Nationen. Die interkulturelle Lesereihe, die mit dem Besuch der Autorin Olga Grjasnowa am 19. Oktober zum zehnten Mal stattfindet, präsentiert Autoren mit Migrationshintergrund. Es sind Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die so intensiv die deutsche Sprache gelernt haben, dass sie in ihr ihr Handwerk des Schreibens meisterlich ausüben. Mit Olga Grjasnowa (32) kommt eine Autorin in die Stadt, die für ihre beiden Bücher bisher öffentliches Lob und namhafte Literaturpreise erhalten hat. In Remscheid liest sie aus ihrem zweiten Buch "Gott ist nicht schüchtern".

Die beiden Hauptfiguren Amal und Hammoudi erleben stellvertretend wohl beinahe all das, was Menschen in Syrien widerfahren kann, die sich, wenngleich nur zaghaft, gegen das Regime stellen. Ihre klare Sprache verdichtet Erfahrungen und wird auf diese Weise zum überzeitlichen Kompendium der Flucht.

Flucht ist eine Erfahrung, die auch die Familie von Olga Grjasnowa kennt. Ihre jüdische Großmutter floh als Vierzehnjährige aus Weißrussland nach Baku. Grjasnowa selbst emigrierte als Kind mit ihren Eltern nach Deutschland, unter sehr viel weniger dramatischen Bedingungen allerdings. Verheiratet ist sie mit einem syrischen Schauspieler, der sich im arabischen Frühling engagierte und nun in Deutschland lebt. So bleibt die notorische Frage danach, inwieweit die Autorin das, wovon sie erzählt, selbst erlebt hat, unwesentlich. Diesem Roman liegt eine literarische Wahrhaftigkeit zugrunde.

Eine Wahrhaftigkeit, von denen nicht nur die Besucher der öffentlichen Lesung in der Stadtbibliothek etwas erfahren sollen, sondern auch die Schüler der Haupt- und Realschule Hackenberg. Vor 160 Jugendlichen liest die Weißrussin im Forum Hackenberg und diskutiert mit ihnen. Ein Auftritt vor Schülern ist für die Autoren verpflichtend. "Für die Schüler ist es ganz wichtig zu sehen, was man als Migrant erreichen kann, wenn man sich ins Zeug legt", sagt Wolfgang Luge, der als Vertreter der Lütteraten mit mehreren Partnern diese Lesereihe organisiert. Beim reinen Zuhören soll es nicht bleiben. Die Organisatoren wollen vermehrt "Schreibwerkstätten" anbieten. So wie sie der Remscheider Stadtschreiber von 2004, Rajvinder Singh, im vorigen Jahr in der Sophie-Scholl-Gesamtschule geleitet hat. Eine Woche lang, täglich von 9 bis 16 Uhr, feilen Schüler an Kurzgeschichten mit abschließendem öffentlichen Vortrag. Im Dezember findet die zweite Schreibwerkstatt dieser Art in der Schule Hackenberg statt. Diesmal kommt die iranische Autorin Sudabeh Mohafez für drei Tage und schreibt gemeinsam mit Lenneper Schülern. Im vorigen Jahr las sie in Remscheid.

Für die Kooperationspartner der Lesereihe heißt es immer wieder Klinkenputzen, an Stiftungen schreiben und Sponsoren finden, um Autoren in die Werkzeugstadt zu holen, die mit ihrem Leben und ihrer Kunst für die tiefgreifenden Veränderungen in der Welt stehen.

(RP)
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