Remscheid Abdi zwischen Recht und Unrecht

Remscheid · Wer ist der junge Somalier, der seit anderhalb Jahren Kirchenasyl hat, und wie kann es mit ihm weiter gehen?

An Weihnachten 2013 sollte Abdi rechtswidrig nach Italien abgeschoben werden. Zwei Jahre später weiß er noch immer nicht, wie es mit ihm weiter geht.

An Weihnachten 2013 sollte Abdi rechtswidrig nach Italien abgeschoben werden. Zwei Jahre später weiß er noch immer nicht, wie es mit ihm weiter geht.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Abdi ist sehr ruhig. Seine Augen schauen traurig zu Boden, meiden Kontakt. Er ist dennoch höflich und zuvorkommend. Abdi sieht, dass alle sehr bemüht sind, und dann lächelt er und zwinkert. Aber er ist dieser Situation müde. Der junge Somali hat viel zu sagen, doch weiß nicht recht wie. Ihm fehlen nicht nur die Worte, ihm fehlt auch die Kraft, das Erlebte immer wieder durchzukauen. Abdi will das alles nicht mehr. Er will Medizin studieren und Arzt werden wie sein Vater. Doch der nun 20-jährige Somali ist nicht frei. Seit fünf Jahren ist er Spielball von Flucht und Vertreibung, Krieg und Gewalt, Recht und Unrecht.

Als Bootsflüchtling kam Abdi über Libyen nach Italien, gestrandet in Lampedusa. Dass er Europa erreichte, war glücklich und mutig. In Libyen wurde er inhaftiert. Um aus dem Gefängnis zu fliehen, seifte sich der Somali mit Duschgel ein, um sich durch die Gitterstäbe winden zu können. Im Lager auf Sizilien war Schlafen nur in Schichten möglich. Niemand war hier vorbereitet. Abdi kam zu einer Zeit, in der das Wort Flüchtling noch nicht krisenfest war. Seitdem wurden neue Gesetzte verabschiedet, das Dublin II abkommen wurde zu Dublin III und als solches fast außer Kraft gesetzt, sagt Rechtsdezernentin Barbara Reul-Nocke.

"Wir müssen so lange nerven, bis sich etwas bewegt", sagt Pfarrer Siegfried Landau. Abdi wollte nach Deutschland zu seiner älteren Schwester. Ein Recht, das ihm verwehrt blieb, denn als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling hätte er nicht nur Recht auf besonderen Schutz gehabt, sondern auch auf Familienzusammenführung. Doch im hessischen Fulda untergekommen, sollte er zurück nach Italien abgeschoben werden. In keinem der beiden Länder hatte Abdi bisher einen Asylantrag stellen können. Noch heute nicht. Und der Abschiebebescheid vom 23. Dezember 2013 sollte sich später als rechtswidrig heraus stellen, erzählt Pfarrer Siegfried Landau. Doch bevor es soweit kam, lief Abdi davon. Wieder. Nun war er niemand mehr, ohne Name, ohne Papiere, ohne Status, ohne Zugehörigkeit. Einen anderen Ausweg sah er nicht. "Ich habe Hoffnungen für die Zukunft", sagt er heute.

Doch zurück nach Somalia kann er nicht. Dort herrscht Bürgerkrieg und die islamistische Al-Shabaab-Miliz kontrolliert weite Teile des Landes. Durch das Kirchenasyl wird sein Fall nun überhaupt erst weiter bearbeitet. "Die Kirche ohne Abdi, das können wir uns nicht vorstellen", sagt Pfarrer Siegfried Landau. Abdi ist hier angekommen, und doch ständig auf Durchreise. Dank enger Zusammenarbeit mit den Behörden kann Abdi seit ein paar Wochen zur Schule gehen. In Mathe hat er eine Drei geschrieben. Das Kirchenasyl wurde von sechs Monaten auf 18 erweitert, doch nach anderthalb Jahren müssen neue Wege eingeleitet werden. Das Verfahren hängt nun zwischen der Ausländerbehörde in Fulda und der Bezirksregierung in Arnsberg, die sich scheut, Abdis Fall von Hessen nach Nordrhein-Westfalen zu holen. Man fürchtet Abdis Fall, könnten zu viele folgen. So muss er weiter warten.

(RP)
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