Ratingen/Cannes Was der Kammerchor in Cannes erlebte

Ratingen/Cannes · Gastbeitrag: Chorleiter Dominikus Burghardt berichtet von zwei großen Konzerten und einem Besuch der Aida.

Ein gutes Jahr Vorlauf, letzte Absprachen und dann hieß es: Ratinger Kammerchor bereit zum Einchecken nach Nizza, für vier Tage an der Côte d'azur, Standort Cannes. Dort wurden wir von Mitgliedern des Partnerchors "Ars Vocalis", dem Vokalensemble des Conservatoire de Cannes, empfangen und zu unseren Quartieren gebracht. Der Kontakt zu "Ars vocalis" kam durch ein Kammerchor-Ehepaar zustande, das dort einige Jahre mitgesungen hatte und auch für die Organisation der Reise verantwortlich zeichneten.

Bereits der Transfer bot mediterrane Fauna und Flora, die so manches frankophile Herz höher schlagen ließen. Als dann die berühmte Croisette, die Strandpromenadenstraße von Cannes erreicht wurde, wurde das Klischee von den Reichen und Schönen, die sich hier einfinden, um zu flanieren, zu shoppen oder einfach gesehen zu werden, auch gleich bestätigt. Und dem entsprach dann auch das Preisniveau der Gastronomie - dafür dann aber mit Blick auf das tyrrhenische Meer.

Gerade angekommen und noch mit Akklimatisierung beschäftigt, ging es dann schon zur ersten Probe in eine anglikanische Kirche in der Innenstadt. Zunächst wurde geistliche A-cappella-Chormusik von Felix Mendelssohn-Bartholdy, unserem deutschen Musikimport, geprobt. Dann folgte die erste Probe des gemeinsamen Chorwerks beider Chöre: "Cantus missae" für Doppelchor des Münchener Romantikers Josef Gabriel Rheinberger. Mit einem Schlag erreichte der sonst so gewohnte schlanke Kammerchor-Klang oratorisches Volumen. Hier und da waren Korrekturen notwendig, insbesondere in der Aussprache des lateinischen Messetexts und in der dynamischen Abstimmung aufeinander, aber insgesamt mischten sich beide Chöre gut. Bei den Ansagen trat dann auch erstmals die Leiterin des französischen Chors, Florence Daily, gebürtige Britin, aber schon seit fast dreißig Jahren in Frankreich lebend, in Erscheinung, und nahm mit ihren sprachlichen Hilfestellungen sofort alle für sich ein. Der erste Schritt war geschafft, und dann wurde zu einem Kennenlern-Umtrunk mit französischem Buffet geladen - lecker.

Der nächste Tag stand dann unter einem besonderen Zeichen, denn ein ehemaliger Kammerchorist schifft mittlerweile als Bordcontroller weltweit mit der Aida über die Meere, und ausgerechnet an diesem Tag ankerte diese vor Cannes. Dank der Bordmanagerin, die Salzburgerin war und der die klassische Musik somit gleichsam in die Wiege gelegt wurde, gab es eine Einladung zu einem Bordbesuch: Ein herzliches Wiedersehen mit unserem nunmehr uniformierten Ex-Bass, führte in alle Winkel des zehnstöckigen Schiffs. Ein Ständchen war Pflicht, und die Crew horchte den Volkslied-Klängen sichtlich bewegt.

Am Abend folgte die zweite Probeneinheit, diesmal unter der Leitung der Kollegin Daily, denn sie sollte auch beim ersten unserer zwei bevorstehenden Konzerte das große Doppelchorwerk dirigieren. Dann hieß es noch einmal gut schlafen vor dem ersten Auftritt am Folgetag in der Notre Dame du Liban in Mandelieu, einem 20 Autominuten von Cannes entfernt liegenden Vorort.

Das Thermometer stieg Tag um Tag, die 30-Grad-Marke war längst erreicht, und jeder suchte Zuflucht am kühlsten Ort, wobei unklar war, ob es die Kirche selbst war oder ein kleiner Nebenraum. Die ausgezeichnete Akustik entschädigte dann aber die klimatischen Bedingungen, und es kam ein sehr erfolgreiches Konzert zustande, das dem Kammerchor Standing Ovations bescherte. Anschließend wurde in einem Restaurant am Meer gefeiert.

Am nächsten Tag stand ein Konzert in der historischen Kathedrale von Cannes, der Notre Dame d'Espérance au Suquet Cannes auf dem Programm, ein Benefizkonzert für die Erbebenopfer in Nepal. Eröffnet wurde es vom Kulturdezernenten der Stadt Cannes. Der Auftritt war ein Erfolg. Am Ende des Konzerts mussten sogar bereits abgetretene Sänger zurückkommen, um den Kirchenraum noch einmal mit Rheinbergers Kyrie-Klängen zu erfüllen. Die Verbreitung seiner Musik war ein Anliegen der Reise, die von der Josef-Gabriel-Rheinberger-Gesellschaft aus Liechtenstein mitfinanziert wurde. Eine Kamerunerin, deren Schwester im französischen Chor mitgesungen hatte, bedankte sich sichtlich bewegt für den deutschen Konzertbeitrag, mit dem Hinweis, dass es ja einen historisch dunklen Fleck zwischen Deutschland und Kamerun im Zusammenhang mit dem 1. Weltkrieg gebe, dieser aber für sie nach diesem Konzert nun nicht mehr existiere. Dem Kammerchor war offenbar einmal mehr ein Beitrag zur Völkerverständigung geglückt.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort