Heiligenhaus Was der gedeckte Tisch im Winter bietet

Heiligenhaus · Ob Sparzwang oder Festmenü - Haushaltsführung vergangener Zeiten ist nicht nur ein Fall fürs Museum Abtsküche.

 Gesünder geht's nimmer: Kochkunst ist genauso erlernbar wie Vorratshaltung, wissen altehrwürdige Kochbücher.

Gesünder geht's nimmer: Kochkunst ist genauso erlernbar wie Vorratshaltung, wissen altehrwürdige Kochbücher.

Foto: Achim Blazy

"Früher war der Alltag viel enger mit den Jahreszeiten verknüpft", weiß Museums-Kustos Reinhard Schneider. Besonders, wenn es darum ging, was auf den Tisch kam. Genau diesen Zusammenhängen spürt er nach mit der aktuellen Ausstellung im Museum Abtsküche. Nicht nur Küchenfans finden darin Überraschendes.

 Einkellerkartoffeln aus der "Kartoffelhorde": früher ein Muss. Fürs Museum Abtsküche eine solche zu bekommen, war aktuell gar nicht so einfach, wie Dietmar Keller feststellen musste.

Einkellerkartoffeln aus der "Kartoffelhorde": früher ein Muss. Fürs Museum Abtsküche eine solche zu bekommen, war aktuell gar nicht so einfach, wie Dietmar Keller feststellen musste.

Foto: Blazy Achim

Es ist kein Geheimnis, dass nicht wenige Mitmenschen mit einer Pizza vom Bringdienst auf dem Sofa sitzen und im Fernsehen verfolgen, was Mälzer, Lichter und Lafer Leckeres bereiten. Gern schmückt man sich mit nicht vorhandenen Kochkünsten und kauft Kochbücher, deren Gerichte in 20 Minuten zusammengekloppt sind. Das soll mal anders gewesen sein.

 Kochbücher von Henriette Davidis stehen bei Sammlern hoch im Kurs.

Kochbücher von Henriette Davidis stehen bei Sammlern hoch im Kurs.

Foto: Blazy Achim

Die unermüdliche Pfarrerstochter Henriette Davidis, 1801 geboren, warf ein Kochbuch auf den Markt, das in der ersten Auflage mit 1000 Exemplaren erschien; in der sechsten wurden schon 10.000 Exemplare gedruckt, später bis zu 40.000 Bücher pro Auflage. Wer als Hausfrau auf sich hielt, hatte dieses Koch- und Beratungsbuch neben dem Herd. Immerhin beschränkte sich die Schrift nicht allein auf den gescheiten, hygienischen und einfallsreichen Umgang mit frischen Lebensmitteln, sondern vermittelte auch das feinere Leben, zum Beispiel: "Von den Anordnungen zu einer größeren Gesellschaft". Da stand dann zum Beispiel sinngemäß, dass die kluge Hausfrau nur in den Räumen servieren möge, die sich zum Speisen eignen, und dass sie keinesfalls das Schlafgemach zum Speisezimmer umbauen möge. Für den an Festivitäten reichen Dezember wurden von offiziell kochkundigen Autorinnen seltener Kalb, Rind und Schwein empfohlen, sondern Geflügel und sonst nur noch Wild - Wildbret genannt - vom Damwild über Reh, Hirsch, Wildschwein und Hase. Daneben Edelfische wie Steinbutt, Aal, Karpfen und Lachs. Puddinge kamen nicht in Tüten daher, sondern wurden nach 30erlei kalten und 40erlei warmen Zubereitungsmethoden in die feine Schüssel gezaubert. Und wahrscheinlich nicht, indem die Hausfrau beim Herstellen mit dem Finger unter dem Rezept lang fuhr.

Es ist ebenfalls zu beachten, dass vor jeder Kochorgie der geltende Küchenkalender befragt wurde: Was wächst zur Zeit, welche Jagdzeiten sind zu beachten, was kann ich in meinem Keller oder Vorratsraum aufbewahren, ohne dass es verdirbt.

Gemüse waren hoch angesehen, gern gegessen und in mancherlei Zubereitungsart bekannt, Obst kam gerne als Kompott, Auflauf oder Eis auf den Festtagstisch. Und als letzter Gang eines Menüs waren auch Käse, Plumpudding, Kuchen und Torten beliebt.

Trüffel, Kaviar und Hummer fehlen bei den Menü-Vorschlägen aus der Davidis'schen Zeit keinesfalls. Doch gibt es auch Hinweise, dass bei allem reichhaltigen Angebot zwar die Vielfalt genossen werden soll, aber dass sie nichts mit Völlerei zu tun habe. Dafür spricht auch die Auswahl von fettarmem Wild, reichlich Gemüse und saisonalem Obst. Um Erdbeeren im Dezember brauchte sich also damals niemand Gedanken zu machen.

Das Kochbuch war jedoch nur ein Teil eines umfassenden Erziehungs- und Bildungsprogramms, das Henriette Davidis für Mädchen und Frauen konzipierte. Von der Puppenköchin über die junge unverheiratete Frau bis zur Hausfrau mit eigener Verantwortung für Haushalt und Personal boten sich Henriette Davidis Bücher als Lehrbücher und Nachschlagewerke an.

Dahinter stand wohl die Erkenntnis, dass die Tätigkeit der Hausfrau ein eigener anspruchsvoller Beruf war, auf den die jungen Frauen des neu entstehenden Bürgertums oft nur unzureichend vorbereitet waren. Mit der eifrigen Lektüre des praktischen Buches wurde das behoben. Fehlen doch auch nicht so sinnbringende Erklärungen, dass man angebranntes Gemüse keinesfalls mit Wasser auffüllen möge, weil sich das Brenzlige dann erst recht verteilt.

(gaha)
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