Heiligenhaus Tüschener gehen auf die Barrikaden

Heiligenhaus · Im ehemaligen heilpädagogischen Kindergarten sollen im Akutfall vorübergehend Flüchtlinge untergebracht werden.

Heiligenhaus: Tüschener gehen auf die Barrikaden
Foto: Blazy, Achim (abz)

Die Tüschener Straße ist eine idyllische Wohngegend. Die schlechte Stimmung, die dort zurzeit unter den Anwohnern herrscht, scheint dort überhaupt nicht hinzupassen. Aber sie ist da. Und Stein des Anstoßes ist der alte heilpädagogische Kindergarten in der Siedlung. Den hat die Stadt nämlich in den vergangenen Wochen auf Vordermann bringen lassen, um Platz für Flüchtlinge zu haben. Und das bringt die Anwohner auf die Palme.

"In einer Einfamilienhaussiedlung besteht keine Gebietsverträglichkeit für ein Flüchtlingsauffanglager, die täglichen Bedürfnisse der Flüchtlinge lassen sich hier nicht befriedigen. Öffentliche und soziale Einrichtungen sowie Einzelhändler sind nicht fußläufig zu erreichen", sagt Ralf Dohrmann, Sprecher der Interessengemeinschaft Tüschen, in der sich die Anwohner zusammen geschlossen haben. Außerdem sei der Zustand des Gebäudes denkbar schlecht, eine menschenwürdige Unterbringung sei alleine wegen des Schimmelbefalls nicht möglich.

Bürgermeister Jan Heinisch ist da ganz anderer Meinung: "Wir haben das Haus in den letzten Tagen so weit herrichten lassen, dass hier eine kurzfristige Unterbringung von Flüchtlingen problemlos möglich ist." Denn der Standort sei keineswegs als Dauerlösung vorgesehen: "Das Objekt halten wir für den Fall vor, dass plötzlich der vielzitierte Bus vor der Tür steht und wir von jetzt auf gleich eine größere Zahl Flüchtlinge unterbringen müssen. In Tüschen würden sie so lange bleiben, bis wir dann eine vernünftige Unterbringungsmöglichkeit gefunden haben."

Die Verwaltung setzt damit eine Vorgabe um, die der Rat in seiner Sitzung Anfang März nahezu einstimmig beschlossen hatte, dass städtische Gebäude als Aufnahmestelle für Akutfälle hergerichtet werden - allerdings durften es weder Turnhallen noch Gebäude sein, die derzeit noch genutzt werden. "Diese Punkte treffen alle auf das Gebäude an der Tüschener Straße zu", so Heinisch, der sich über das in einem offenen Brief der Interessengemeinschaft an ihn benutzte Wort "Auffanglanger" aufregt: "Dieser Begriff ist absolut unpassend."

In dem Brief stellen die Anwohner auch die Frage, wieso nicht Wohnungen für die Flüchtlinge genutzt werden: "Das ist doch genau das, worum es geht. Wir suchen nach solchen Wohnungen oder anderen Möglichkeiten für eine adäquate Unterbringung. Aber für diese Zeit müssten wir im Akutfall die Menschen irgendwo unterbringen. Das ist eine Pflichtaufgabe der Kommune", erklärt Heinisch.

Auch die Abgeschiedenheit der Unterkunft will Heinisch nicht gelten lassen: "Es ist eine Bushaltestelle in der Nähe. Und mit dem Sozialticket können die Flüchtlinge den ÖPNV jederzeit nutzen." Was jedoch die Anwohner um Sprecher Dohrmann besonders stört, ist die nicht vorhandene Informationspolitik der Verwaltung: "Nachdem bereits bei der Umwidmung der Schule Ludgerusstraße die Anwohner in einer Nacht-und-Nebel-Aktion überrumpelt wurden, ist das nun der zweite Fall, in dem die Bürger vor vollendete Tatsachen gestellt werden."

So viele Flüchtlinge sind in NRW-Einrichtungen untergebracht
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Foto: dpa, bom fdt Ken jol

Ein Argument, dass der Verwaltungschef ebenfalls nicht gelten lassen will: "Wen sollen wir denn in solchen Fällen alles informieren? Nur die unmittelbaren Anlieger oder auch diejenigen zwei Straßen weiter? In der Presse hat klar gestanden, was unser Auftrag durch den Rat in Sachen Unterbringung von Flüchtlingen gewesen ist. So haben alle Zugang zu solchen Informationen, denn sonst weiß ich nie, wen ich wann wie informieren soll, ohne dass sich jemand übergangen fühlt."

(wol)
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