Kreis Mettmann Tinnitus: Leben mit einem Mann im Ohr

Kreis Mettmann · Einen Hörsturz erleiden bis 400 Menschen pro 100.000. Ärzte sind auf der Suche nach der besten Therapie.

Dass er einen Hörsturz erlitten hat, war Jan Peters lange nicht bewusst. "Ich dachte, dieses komische Brummen kommt von meinem Computer." Nicht aber ein ITler konnte helfen, sondern der Hals-Nasen-Ohrenarzt.

"Ob Hörsturz oder Tinnitus, wichtig ist, rasch zum Arzt zu gehen", sagt HNO-Arzt Dr. Volker Bremkamp. Das nämlich erhöht den Behandlungserfolg.

Ein Hörsturz kommt ohne Vorwarnung. Die Anzahl derer, die ihn erleiden, ist hoch. Nach neuesten Zahlen sind es 100 bis 400 Menschen pro 100.000. Innerhalb von Sekunden hören Betroffene ihre Umwelt nicht mehr oder nur schlecht, "wie durch Watte", sagt Jan Peters.

Zusätzlich können Tinnitus - ein Hörsturz muss nicht immer ein Tinnitus sein - und Schwindel auftreten. Ob bei einem Ohrgeräusch, Fiepen, Dumpfheit oder Taubheitsgefühl - stets sollte sofort ein Arzt aufgesucht werden, denn ein Hörsturz ist auf jeden Fall eine Notfallsituation.

Grund für einen solchen Hörsturz sind Durchblutungsstörungen. Obwohl das Krankheitsbild schon lange bekannt ist, ist die Ursache nicht vollständig erforscht. Stress scheint aber ein wesentlicher Faktor zu sein. "Das aber ist nicht zu beweisen. Lärm und Schlafmangel können ebenso wie hormonelle Veränderungen Gründe sein", sagt Volker Bremkamp. Auslöser könnten ebenso von der Wirbelsäule oder vom Mund-Kieferbereich kommen. Den plötzlichen Hörverlust erleben die Betroffenen häufig als beängstigend. Der Fachmann klärt, ob es sich dabei vielleicht "nur" um einen Tubenkatarrh handelt. "Dann funktioniert der Druckausgleich im Mittelohr nicht mehr." Flugpassagiere kennen das Gefühl von sogenannten Luftlöchern oder bei Start oder Landung einer Maschine.

Als Behandlungsmethode ist die Infusion passé, Cortison dagegen hat sich bewährt. Hilft die medikamentöse Therapie nicht, sind die Patienten auf Hörgeräte angewiesen. Im Frühjahr 2015 startete deshalb eine bundesweite Studie, die sich mit den zugrundeliegenden Mechanismen und Therapiemöglichkeiten befasst und vom Bund mit knapp zwei Millionen Euro gefördert wird. Klinische Studien zur Hörsturztherapie haben bislang verschiedene medikamentöse Therapieformen untersucht, konnten aber keinen Beweis für etwas eindeutig Wirksames liefern.

Wer unter einem chronischen Tinnitus leidet, also dauerhaftes Zischen, Brausen oder Piepen vernimmt, "muss lernen, mit diesem Geräusch zu leben", so Neurologen und Psychiater. Dank entsprechender Übungsformen, Therapien oder des Austausches in Selbsthilfegruppen gelingt es der Mehrzahl der Betroffenen, das Ohrgeräusch als ständigen Begleiter zu akzeptieren. Einer der Tricks ist, die Aufmerksamkeit ganz bewusst wichtigen Dingen oder anderen Geräuschen zu widmen. Der Fachmann spricht dann von einem kompensierten Tinnitus. Dieser Lernprozess braucht Zeit, auch therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist keine Schande. "Eine echte Prophylaxe gibt es nicht. Wichtig ist, Trigger-Faktoren zu vermeiden", sagt Volker Bremkamp. Also nicht nur Methoden gegen den berufsbedingten Stress zu finden, ausreichend auszuruhen und "nicht per Kopfhörer in voller Lautstärke Musik zu hören".

(RP)
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