Ratingen Stadt sucht gefährliche Grabsteine

Ratingen · Ein Mal jährlich überprüfen Gartenbaumeister und Steinmetz, ob die Steine auf den Friedhöfen sicher sitzen.

 Esther Klemmt und Heribert Müller überprüfen mit Hilfe eines Kipptesters die Standfestigkeit eines Grabsteins auf dem Waldfriedhof.

Esther Klemmt und Heribert Müller überprüfen mit Hilfe eines Kipptesters die Standfestigkeit eines Grabsteins auf dem Waldfriedhof.

Foto: Dietrich Janicki

Was wirklich in ihm steckt, sieht man ihm nicht an. Er ist klein und handlich, wirkt fast niedlich und macht einen unscheinbaren Eindruck: der Kipptester. Was sich nach einer Spielerei aus der Kneipenszene anhört, ist ein wichtiges Instrument zur Sicherheit. Ein Mal jährlich überprüfen Steinmetzmeisterin Esther Klemmt und Gartenbaumeister Heribert Müller mit dem etwa 2,5 Kilo schweren Gerät, ob die Grabsteine sicher stehen.

 Diesen Aufkleber gibt es für gefährliche Grabsteine.

Diesen Aufkleber gibt es für gefährliche Grabsteine.

Foto: Janicki, Dietrich (jd-)

"Das ist keine Druckprobe", erklärt der Fachmann, "dafür müssen langsam und mit Gefühl 0,5 Kilonewton gleichmäßig auf das Objekt verteilt werden." Klingt simpel, ist es aber nicht. Denn mindestens zwei Sekunden müssen sich Esther Klemmt und der Kollege mit besagtem Kipptester gegen den zu überprüfenden Stein stemmen. "Das geht ganz schön an die Substanz", wissen beide. Ein akustisches Signal gibt das Zeichen, ob alles okay ist.

Für gewöhnlich, erklärt die Steinmetzmeisterin, ist so ein Grabstein quasi bombensicher in der Erde verankert. Damit das Fundament nicht absacken kann, wird auf eine Tiefe von knapp zwei Metern ausgehoben. Dort unten erfolgt dann die sogenannte Pfahlverdübelung aus nichtrostendem Material. Problematisch wird es dann, wenn Wasser in die Fuge tritt und noch dazu Frost einsetzt. "Dann kann sich das Konstrukt lösen." Und weil das heimlich, still und leise geschieht, aber im Zweifelsfall brandgefährlich sein kann - so ein Grabschmuck ist schon mal eine Tonne schwer - gehen die Zwei zusammen auf Kipptour.

Wichtigste Accessoires sind außer dem Kipptester ein Plan, auf dem sämtliche Grabstätten mit ihren Bewohnern und Namen der zuständigen Grabhalter verzeichnet sind, sowie leuchtend gelbe Aufkleber. "Unfallgefahr!" steht darauf unübersehbar. Sie werden auf dem betreffenden Grabstein platziert, wenn er den Anforderungen nicht entspricht. Postalisch wird der Grabhalter angeschrieben, dass vom Fachmann die Grabstelle wieder instand gesetzt werden muss. Sind vier Wochen ergebnislos verstrichen, folgt ein Erinnerungsschreiben. "Hat jemand kein Geld, den Schaden zu regulieren, erfolgt eine Einebnung." Oft ist es Detektivarbeit, die geleistet wird.

"Anschriften ändern sich, Menschen heiraten und haben neue Namen", beschreibt Heribert Müller Aspekte der mitunter beschwerlichen Kontaktaufnahme. Fünf städtische Friedhöfe zählt die Stadt, etwa 16000 Grabstellen gibt es insgesamt, die Hälfte davon ist mit einem Grabstein geschmückt. Sie alle müssen gecheckt werden. "Je nach Wetterlage kommen wir voran", bei hochsommerlicher Hitze ist nach spätestens vier Stunden Schluss.

Bei Regen ist der Einsatz limitiert, weil der Gang über die schönen Natursteinplatten, die gerne vermoosen, schnell zur Rutschpartie wird. Und beim Kontrollgang geht es natürlich dann am schnellsten, wenn der Prüfling frei zugänglich ist. So schön also Buchen und Zypressen rund um Gräber aussehen, "wenn alles zugewachsen ist, müssen wir uns unseren Weg suchen", sagt das Duo. Und springt auf Zehenspitzen Richtung Stein.

Systematisch wird so jeder einzelne Grabstein überprüft. Damit dramatische Schlagzeilen, dass jemand unter einem umgefallenen Grabstein zu Tode kommt, auch in Zukunft in der Stadt Ratingen ausbleiben.

(RP)
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