Ratingen So speisten die Brügelmanns in Cromford

Ratingen · Themenführungen im Industriemuseum zeigen, wie die Hausherrinnen das Leben ihrer Familie organisiert haben.

 Porzellan aus Meißen kam in Cromford auf den Kaffeetisch.

Porzellan aus Meißen kam in Cromford auf den Kaffeetisch.

Foto: Blazy Achim

"Ihr Frauen seid geschaffen um beglückende Gattinnen, bildende Mütter und weise Vorsteherinnen des inneren Hauswesens zu werden welche durch Aufmerksamkeit, Ordnung, Reinlichkeit, Fleiß, Sparsamkeit, wirtschaftliche Kenntnisse und Geschicklichkeit den Wohlstand, die Ehre, die häusliche Ruhe und Glückseligkeit des erwerbenden Gatten sicher stellen..." Die Ausführungen des Schriftstellers Joachim Heinrich Campe in seinem "Väterlichen Rath" sind noch ausführlicher und reicher an Girlanden. Und diese Weisheiten galten auch im Herrenhaus Cromford um 1800.

 Das Porträt von Anna Brügelmann hängt an der Wand. Elena Leonhardt (links) führt durch das historische Speisezimmer der schwerreichen Fabrikantenfamilie.

Das Porträt von Anna Brügelmann hängt an der Wand. Elena Leonhardt (links) führt durch das historische Speisezimmer der schwerreichen Fabrikantenfamilie.

Foto: Blazy Achim

Es war kein kleiner Haushalt, sondern ein ganz eigener, reichlich bewohnter Kosmos. Anna Christina und Johann Gottfried Brügelmann mit zwei Söhnen und in der folgenden Generation Sophie Brügelmann mit ihren drei Kindern, immer wieder Besuch aus der eigenen Familie, von gesellschaftlich verbundenen Bekannten, von Freunden oder Geschäftspartnern fanden sich dort ein, ein Hauslehrer, auch mal eine Amme, eine Erzieherin oder ein Kindermädchen gehörten zur Stammbesatzung.

Als Sophie Brügelmanns Mutter verwitwete, kam sie und blieb bis zu ihrem Tod. Und Sophies Schwester Johanna, eine unverheiratete Düsseldorfer Malerin, ließ sich gelegentlich in dem hochherrschaftlichen Haus längerfristig nieder.

 Auch das gehörte zur Ausstattung des historischen Haushalts: Rüböllampen aus der Zeit um 1800 und Tongeschirr aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Auch das gehörte zur Ausstattung des historischen Haushalts: Rüböllampen aus der Zeit um 1800 und Tongeschirr aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Foto: Achim Blazy

Platz gab es ja, aber nach unseren Vorstellungen war das Leben nicht bequem - selbst mit der ergebenen Schar an Personal nicht. Es gab keine Wasch- oder Spülmaschinen, keine Kühlschränke, keine einfach zu säubernden oder pflegenden Materialien, die die Haushaltführung erleichterten. Dazu befanden sich der Brunnen vor dem Haus, die Küche im Kellergeschoss, der Speisesaal im ersten Obergeschoss, die Schlafgemächer noch höher. Es muss ein Ganztags-Klettern und -Rennen gewesen sein. Zweimal im Jahr wurde die große Wäsche gemacht. Dann kamen Wäscherinnen ins Haus und Frauen, die bügelten und flickten. "Und über allem wachte die Hausherrin" - so heißt es im Katalog zur Cromford-Dauerausstellung.

Damit beim großbürgerlichen Leben kein Sand ins Getriebe kam, brauchten die Frauen weitaus größere organisatorische und anspruchsvolle Kenntnisse als das Fußvolk. Das betraf unter anderem die Vorratshaltung; denn trotz des hausnahen Gartens war man bei weitem nicht ausreichend ortsnah mit den Lebensmitteln versorgt, die benötigt wurden. Da bewährte sich dann die Gastfreundschaft der Verwandtschaft gegenüber, die bei Bedarf mit dem Heranschaffen von Nahrhaftem betraut wurde. Eine Hand wusch auch damals die andere.

Sophie Brügelmanns Ehemann musste zum Beispiel einmal 1200 Äpfel aus Wiesbaden mitbringen, wo er zur Kur weilte - für seine fünfköpfige Familie plus drei Dienstboten zum gesunden Überwintern. Im gleichen Herbst, 1829, wurden 150 Kohlköpfe eingelegt. Zum "Modeessen" Austern ließ man aus Amsterdam die Zutaten kommen (die dann auch gern mal verdarben). Sophie Brügelmann bestellte bei einem Kölner Delikatessenhändler Mandeln, Sardellen, Zitronenspäne, Gewürzbiskuits und andere luxuriöse Köstlichkeiten, versuchte aber gleichzeitig auf eine Empfangsanzeige zu verzichten, um Porto zu sparen. Irgendwie galt Sparsamkeit, wie es auch heute manch renommierter Familie nachgesagt wird.

Wer jetzt zur Beschaffung von welchen Dingen auch immer angesprochen wurde, über welche Wegstrecken der Transport ging und mit wem man Kompensationsgeschäfte machte, lag in den Händen und der Cleverness der jeweils bestimmenden Familien-Chefin in Cromford, die auch noch ein Düsseldorfer Domizil angemessen auszustatten hatte. Auf jeden Fall war sie aufs Trefflichste vernetzt. Haushalts- und andere Bücher geben Aufschluss über die gescheite Regsamkeit der Familie Brügelmann. Christine Syré, wissenschaftliche Referentin in Cromford, stellt unter anderem Themenführungen zusammen, in denen Besucher sich in das spannende Leben vor zwei Jahrhunderten einfühlen mögen.

Sie selbst kann sich sogar vorstellen, in dieser Zeit gern gelebt zu haben: "Es war eine Zeit des Umbruchs, aber auch der Ruhe. Bei Brügelmanns waren Familie und Besucher gebildet - auch keine schlechte Bedingung für interessante Tage." Ihre Ansicht ist somit eine sehr gute Voraussetzung für mitreißende Führungen.

(RP)
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