Ratingen Sehbehinderte legt enormes Tempo vor

Ratingen · Marion Höltermann ist Vorsitzende des Ratinger Blinden- und Sehbehindertenvereins. Dort brauchen rund 30 Leute Hilfe und Anregung, beispielsweise bei der Beschaffung von Hilfsmitteln.

 Marion Höltermann verfügt inzwischen nur noch über eine Sehkraft von einem Prozent.

Marion Höltermann verfügt inzwischen nur noch über eine Sehkraft von einem Prozent.

Foto: Achim Blazy

Sie war ein aufgewecktes Kind mit Brille. Sie war gut in der Schule, musste aber immer wieder in augenärztliche Behandlung. Sie war erfolgreich im Beruf, eine liebevolle Ehefrau und Mutter. Die Beschwerden mit ihren Augen, die schwindende Sehkraft waren letztlich unerklärlich, besserten sich aber nicht.

Schließlich legte sich ein dichter werdender Nebel über die umgebende Welt - Marion Höltermann verfügt inzwischen nur noch über eine Sehkraft von einem Prozent. Immerhin hat sie auch eine Diagnose - die seltene Form einer Netzhaut Degeneration - die aber keine Behandlungsmöglichkeit bedeutet.

Man möchte sie eigentlich dauernd irgendwie festhalten - ist sie doch sehr lebendig und nicht wirklich heimisch im Sessel. Sie plant und denkt sich Aktionen aus und nutzt alles, was es an möglichen Hilfsmitteln nur gibt und bewegt sich eindeutig mehr und quirliger als die Mehrzahl der Sehenden.

Nun ist der Ratinger Blinden- und Sehbehindertenverein ein Betätigungsfeld, das für sie geschaffen zu sein scheint: Dort brauchen rund 30 Leute Hilfe und Anregung, manchmal auch menschlichen Beistand. Marion Höltermann wirbelt herbei und kümmert sich, manchmal sicher mehr als man denken mag.

Sie ist 1953 in Ratingen geboren und bei Mutter und Großmutter aufgewachsen - die Mutter war selbstständige Schneiderin. Marion aber hatte es nicht so mit der Näherei. Sie ging auf die Grund- und dann auf die Liebfrauenschule, machte eine Lehre als Speditionskauffrau, war viel unterwegs. Sie hat einen Sohn, der Gott sei Dank "wie ein Luchs" sehen kann.

Als das Augenlicht immer schwächer wurde, kümmerte sie sich gleich darum, die Blindenschriften Braille und Punktschrift zu erlernen, bekam einen Blindenführhund. Der derzeitige ist ein cremefarbener Königspudel namens Farah (wie Diba), der sie heil durch den Alltag führt, der aber zu Hause, ohne sein Dienst-Geschirr, ein Exemplar wie alle lieben Hunde ist: Er sitzt auch mal gern gemütlich im Sessel.

Auswärts, zum Beispiel in Schulen, ist der Hund der Star. Er demonstriert genau, wie er was zu tun hat, versteht sich mit Kindern und nimmt ihnen viel von der Scheu, die einem nicht Sehenden möglicherweise von Sehenden entgegengebracht wird.

Das zu überwinden ist ein großes Anliegen von Marion Höltermann; sie weiß über Bauvorschriften genau so Bescheid wie über die vielfältigen Hilfsmittel, die den Tag erleichtern. So kann ein Gerät Farben erkennen und sie auch laut mitteilen, gibt es Vorrichtungen für die Nutzung eines Computers, Scanner, die beim Einkaufen elektronisch die Produkte vorlesen, natürlich Hörbücher.

Bundespräsident Christian Wulff würdigte Marion Höltermann mit dem Bundesverdienstorden am Bande, die Ratinger Jonges überreichten die Dumeklemmerplakette. Und ihre langjährige Freundin Hannelore Zeien spricht das aus, was einem gleich einfällt: "Es ist schon bewundernswert, was die Marion alles anpackt und durchzieht." Wer allerdings bei dem Tempo nicht mithalten kann, muss sich sputen oder kann nur noch staunen.

(gaha)
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