Analyse Neue Anlaufstelle für junge Flüchtlinge

Homberg · Im Café du Nord kümmern sich Honorarkräfte des Jugendamtes um Asylsuchende - das Projekt hat Erfolg. Es geht auch um ein Stück Willkommenskultur für die Gäste.

 So geht Betreuung für Jugendliche und Kinder in Homberg: Jennifer und Norman (Bildmitte) kickern mit Flüchtlingen vor dem Homberger Treff.

So geht Betreuung für Jugendliche und Kinder in Homberg: Jennifer und Norman (Bildmitte) kickern mit Flüchtlingen vor dem Homberger Treff.

Foto: Achim Blazy

Man kennt sich. Die - überwiegend männlichen - Bewohner der Flüchtlingsunterkunft an der Mozartstraße wissen genau, was Norman Schröder und Jenny Menden wollen. "Kickern?", fragt einer von ihnen mit einem breiten Grinsen im Gesicht. "Logisch, kommt mit", lädt der 22-jährige Student der Philosophie und Geschichte die jungen Männer ein. Schröder und Menden sind Honorarkräfte des Jugendamtes, betreuen jeden Freitagabend von 20 Uhr bis Mitternacht das Jugendzentrum Café du Nord im Stadtteil.

Eine Einrichtung, bei der erst ein Votum der Politik das Jugendamt dazu bewegen konnte, sie regelmäßig freitags zu öffnen. Man sehe keine Notwendigkeit, hieß es noch im Winter seitens der Verwaltung, der Kostenrahmen würde sich nicht lohnen. Wohl eine Fehleinschätzung: Schon ohne die Flüchtlinge, die Menden und Schröder vor einigen Wochen das erste Mal eingeladen haben, spricht die Realität eine andere Sprache: Mindestens 20, teilweise bis zu 40 Mädchen und Jungen treffen sich in dem kleinen Raum an der Dorfstraße. Für die nächsten Wochen ist man allerdings umgezogen, hat im Homberger Bürgertreff an der Herrnhuter Straße Station gemacht, weil das Café du Nord auf Vordermann gebracht werden muss. Der Begeisterung für das Angebot tut das keinen Abbruch. "Anfangs war es so, dass sich die Homberger Jugendlichen und die Flüchtlinge intensiv beäugt haben. Aber mit der Zeit wurde das schnell besser, die Gruppen haben sich vermischt", erzählt Menden, die Soziale Arbeit studiert und über ein Praktikum zum Ratinger Jugendamt gekommen ist. Die Sprache, die die Bewohner der Mozartstraße, die bis zur Altersgrenze 27 an dem Angebot teilnehmen dürfen, und die jungen Homberger verbindet, ist der Kicker: "Da werden regelmäßig harte Wettkämpfe ausgefochten", so Menden, die sich bei den jungen Männern, überwiegend Kosovo-Albaner, mit starken Leistungen am Kicker ihren Respekt erarbeitet hat. An diesem Abend ist sie ein gefragter Spielpartner.

Und so entstehen quasi im Spiel Gespräche zwischen den jungen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen. Ein 21-jähriger Flüchtling, in seiner Heimat Student der Wirtschaftswissenschaften, erzählt von seinem Schicksal, von der Armut in der Heimat, die er nur verlassen hat, damit die Mutter und der jüngere Bruder nicht alleine nach Deutschland müssen, der Vater ist tot. Stolz zeigt er auf dem Smartphone Bilder von Zuhause, von seiner Folklore-Gruppe, mit der er in vielen Ländern Europas Auftritte hatte. Bleiben wird er wie nahezu alle seiner Landsleute nicht dürfen - und das, obwohl er sogar gut dotierte Arbeitsangebote hat. "Durch solche Geschichten hat sich bei den jungen Leuten aus dem Stadtteil ein ganz anderes Bild von den Flüchtlingen eingestellt", weiß Schröder zu berichten: "Wir haben hier auch schon viele Diskussionen über Religion gehabt. Und mit der Zeit wächst das Verständnis für die jeweils andere Seite." Das Angebot ist niederschwellig: Wer kommt, der kommt. Norman Schröder, der in Homberg groß geworden ist, macht sich allerdings regelmäßig auf den Weg zu den Treffpunkten im Stadtteil, um "seine" Jugendlichen einzufangen. Dass es Probleme mit Jugendgruppen im Stadtteil gibt, will der engagierte Student nicht in Abrede stellen: "Aber durch die Öffnung des Cafés ist es etwas besser geworden, wir haben guten Kontakt zu den jungen Leuten bekommen." Die haben übrigens viele Vorurteile, die sie über Flüchtlinge hatten, revidieren müssen. Denn unter den Bewohnern sind keineswegs ungebildete Asylsuchende, sondern überwiegend gute ausgebildete oder studierte junge Menschen: "Einer studierte zum Beispiel Deutsch und Literatur in seiner Heimat", weiß Jenny Menden, der die Arbeit Spaß macht: "Wir schlagen hier zwei Fliegen mit einer Klappe, können unsere Jugendlichen von der Straße holen und geben den Flüchtlingen auch ein kleines bisschen Abwechslung. Und vor allem zeigen wir ihnen, dass wir sie hier willkommen heißen." Ärger mit den Bewohnern der Mozartstraße gibt es im Café du Nord nicht, so Schröder: "Von der Höflichkeit könnte sich mancher Jugendlicher von hier eine Scheibe abschneiden."

(RP)
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