An(ge)dacht Mit Barmherzigkeit den Urlaub genießen

Ratingen · Kennen Sie das auch? Da hat man eigentlich Pause oder Urlaub, und ständig kommt einem was dazwischen. Mal sind es die äußeren Umstände und mal auch die innere Unruhe. Am Ende des Tages bleibt dann nicht die Erholung, sondern ein selbstkritisches "Aus dem Tag hättest du aber mehr machen können!"

Wir sind inzwischen so in der "Leistungsgesellschaft" angekommen, dass als erstes zählt, was man kann oder tut und selten, wer man ist! Angefangen bei den Kindern, die schon früh alle möglichen Förderungen erhalten (müssen) für den "Überlebenskampf". Über die Jugendlichen, die auf 40 Bewerbungen überhaupt nur drei Antworten bekommen. Bis hin zu berufserfahrenen Menschen, die nach Insolvenz des Betriebes mit 55 Jahren keinen Job mehr bekommen. Ist man nur dann etwas wert, wenn man etwas leistet? "Liebt, wie ich geliebt habe", so spricht Jesus zu den Menschen. Und er pflegt Kontakt zur Sünderin, zum Schuldigen, zum Ausgegrenzten. Und er erzählt das Gleichnis vom barmherzigen Vater als ein Beispiel für seinen Umgang mit den Menschen. Wir kennen die Geschichte alle: Ein Vater, zwei Söhne, der Jüngere lässt sich sein Erbe auszahlen und geht weg. Er verjubelt sein Vermögen und landet im Elend. Da denkt er sich, selbst wenn ich Knecht bei meinem Vater wäre, würde es mir besser ergehen. Er kehrt also zurück voll Sorge. Doch der Vater sieht ihn von weitem, läuft ihm entgegen, nimmt ihn wieder als Sohn an und feiert die Rückkehr mit einem Fest. Der Ältere hört davon und ist sauer. Der Vater versucht ihn einzuladen, aber der Ältere hat nur Vorwürfe für den Vater übrig. Nun haben wir viel Empathie für den Vater und vielleicht auch für den jüngeren Sohn. Den älteren Sohn haben wir meist nicht so im Blick, dabei ist er uns doch vermutlich am Nächsten. Schließlich ist er ja herausgefordert, die Barmherzigkeit des Vaters umzusetzen, und das fällt schwer! Die Barmherzigkeit des Vaters fragt an: Traust du der Liebe, der Zusage Gottes an dich, oder bist du in deiner Wahrnehmung nur gut, wenn du Leistung zeigst? Wie sieht dein Blick auf dich selbst aus? Barmherzigkeit widersetzt sich der Leistung, der Forderung und der Ansprüche. Dadurch lässt sie uns Gottes Zusage erst wirklich spüren. In der Urlaubszeit wünsche ich Ihnen umso mehr einen barmherzigen Blick in den Spiegel und gute Erholung.

JOHANNES WESTERDICK, KATH. KLINIKSEELSORGE, ESSEN

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort