Heiligenhaus Jugendliche sprühen Graffiti ganz legal

Heiligenhaus · Die Akteure haben Gebäude am Flugplatz Meiersberg verschönert. Die Aktion ist ein Projekt für straffällige Jugendliche.

 Segelflugzeuge als Motiv, Wolken, Himmel und viel Grün verschönern nun wieder die große Hangarwand auf dem Flugplatz in Meiersberg.

Segelflugzeuge als Motiv, Wolken, Himmel und viel Grün verschönern nun wieder die große Hangarwand auf dem Flugplatz in Meiersberg.

Foto: Achim Blazy

Das junge Mädchen hat sich die Kapuze ihres Sweatshirts tief ins Gesicht gezogen, es nieselt und ist kalt, es riecht nach Sprühlack. "Los, mach mal weiter", ruft ihr ein ungefähr gleichaltriger Junge auf einem Gerüst zu und hält ihr auffordernd eine gelbe Sprühflasche entgegen. Begeistert wirkt die 17-Jährige nicht. "Am Anfang hat das hier ja noch Spaß gemacht, aber mittlerweile hab' ich echt keinen Bock mehr." Dann aber zieht sie den Mundschutz hoch. "Was soll's, ich hab' ja keine andere Wahl", sagt sie leise und greift zur Spraydose. Celil, 18, findet das Ganze dagegen "ziemlich cool". "Macht mir Spaß", sagt er mit knappen Worten und schaut ein wenig verlegen zu Boden, "echte Teamarbeit und man wird ernstgenommen".

Die Jugendlichen aus dem Kreis Mettmann wurden zu Arbeitsstunden verurteilt, die junge Frau hat für einen Ladendiebstahl 45 Stunden abzuarbeiten, Celil hat die Schule lange geschwänzt, die Bußgelder dafür wurden in 25 Stunden umgewandelt. Das Graffitiprojekt des Vereins "neue Wege e.V." ermöglicht ihnen und den anderen zehn Jugendlichen, einen Teil ihrer Strafen hier zeitlich abzuarbeiten.

"Wir wissen um die Kritik, dass Graffitisprayen doch eher Hobby als Strafe für die betroffenen jungen Leute sei", sagt die Vorsitzende des Vereins, Silvia Böhm, "aber wenn man weiß, dass bei der Jugendstrafe stets der Erziehungsgedanke und nicht der Strafgedanke im Vordergrund steht, dann eignen sich genau solche Aktionen, um pädagogisch etwas zu erreichen". Richard Starck kann dem nur zustimmen. "Normalerweise sitzen die jungen Menschen ihre Stunden irgendwo ab, im Kindergarten oder Altenheim. Oder sie säubern Friedhöfe oder andere öffentliche Anlagen. Ich sehe da keinen großen pädagogischen Wert".

Starck ist Jugendgerichtshelfer in Wülfrath. Gemeinsam mit seinen Kollegen aus einigen anderen Kreisstädten hat er vor zehn Jahren den Verein gegründet, mit dem Ziel, bereits straffällig gewordene Jugendliche mit sinnvollen Maßnahmen wirksam zu unterstützen. "Wir wissen, dass 80 Prozent der Jugendlichen nicht wieder auffällig werden, das zeigt uns, dass der Weg der Richtige ist", resümiert Vereinsmitglied Jörg Böttcher.

Die große Hangarwand nimmt Gestalt an: Segelflugzeuge als Motiv, Wolken, Himmel, viel Grün. Bereits 2014 waren die Wände in einer Vereinsaktion besprüht worden, Vandalen hatten das Werk 2016 verschandelt. "So eine Zerstörungswut hab' ich selten erlebt", erklärt Javier Landa Blanco, der als Künstler das Projekt anleitet, "die jetzigen Jugendlichen haben sich das gleiche Bild noch mal gewünscht, also machen wir es auch genau so." Auch die 17-Jährige macht wieder aktiv mit, sprüht nach Vorgabe gelbe Punkte in die aufgemalte, grüne Landschaft. Sie weiß: sollte sie ihre 45 Arbeitstunden nicht absolvieren, folgt die Anzeige. "Das will ich auf keinen Fall. Ich mache gerade mein Fachabi, ich will BWL studieren, danach Maklerin werden. Und ich möchte auf gar keinen Fall meine Eltern ein zweites Mal enttäuschen". Und Celil? Er betrachtet stolz das halbfertige Kunstwerk. "Ich glaub ich hab' hier ein bisschen gelernt, das nur Duchhalten zum Erfolg führt. Vielleicht schaffe ich das ja jetzt auch mal in der Schule."

(dani)
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