Lintorf In Ratingen das späte Glück genießen

Lintorf · Am 1. September feiert Heinz Fleischer, der einst im Jugendamt arbeitete, seinen 90. Geburtstag.

 Heinz Fleischer kann auf viele turbulente Lebensstationen zurückblicken: Pech und Glück lagen oft dicht nebeneinander.

Heinz Fleischer kann auf viele turbulente Lebensstationen zurückblicken: Pech und Glück lagen oft dicht nebeneinander.

Foto: achim blazy

Sein großes Jubiläum wird er mit seiner Liebsten feiern. "Außer ihr gibt es niemanden, mit dem ich diesen Anlass begehen möchte", erklärt Heinz Fleischer über seine Lebenspartnerin Edith Klocke, mit der er seit zehn Jahren zusammen ist. Am 1. September wird er 90 Jahre alt. Grund und Anlass, einen Blick zurück auf sein bisher gelebtes Leben zu werfen.

"Er hat oft unheimliches Glück gehabt", fasst Edith Klocke zusammen. "Aber auch unfassbares Pech." Was er erlebte, ist teilweise filmreif und hört sich manchmal an wie aus einem schlechten Roman.

Der Beginn im September 1925 in Freital, einem gemütlichen Flecken am Rande des Erzgebirges und in unmittelbarer Nähe zu Dresden, mit einem großen und einem kleinen Bruder, war bilderbuchmäßig. "Die Berge habe ich schon immer geliebt", nicht nur die vor der eigenen Haustür. "1939 sind ein Schulkamerad und ich gemeinsam mit dem Fahrrad nach Österreich gefahren." Drei Wochen waren die zwei unterwegs, über Salzburg ging es bis Innsbruck. Eine der "schönsten Zeiten" seiner Jugend. Fast verschüttet wurden diese Erinnerungen von "schrecklichen Kriegerlebnissen", zwei Verwundungen inklusive, und sechsjähriger russischer Gefangenschaft. 1951 kehrte er nach Freital zurück, wurde Polizist und stieg bei der Volkspolizei bald zum Oberwachtmeister sowie Abschnittsbevollmächtigten auf. Und verliebte sich in eine Kollegin. 1952 heirateten beide. "Ich träumte davon, eine eigene Familie zu gründen" und die schönen Erlebnisse aus der eigenen Kindheit zu wiederholen. "Oft erzählte ich, was ich im Dienst erlebte." Wie er Nachbarn warnte, nicht zu offensichtlich mit West-Kontakten zu prahlen, weil sie sonst Schwierigkeiten bekämen, oder wie er einen privaten Unternehmer aufforderte, "nimm Deine Frau, pack Deine Sachen und verschwinde. Dir droht eine Verhaftung." Der Unternehmer hatte angeblich die DDR-Wirtschaft zu sabotieren versucht. "Jung, verliebt, unerfahren und unglaublich doof war ich", sagt er im Rückblick. Seine Frau sei für die Stasi im Einsatz gewesen. Für acht Monate wurde er wegen seiner Nicht-Staatstreue im Gefängnis inhaftiert.

Als er 1955 entlassen wurde, "entschloss ich mich zur Flucht". Über Jonsdorf an der polnischen Grenze ging es per Zug und unfassbarem Glück nach West-Berlin. Unter Tränen berichtet er, wie er dann in Düsseldorf ankam und dort einen Beruf als Hammerschmied fand. Nach beruflichen Stationen als Material- und später als Rechnungsprüfer fand er sein Happy-End letztlich in Ratingen. Dort war er im Jugendamt tätig, Reisen führten ihn um die Welt. 1976 ging es nach South Dakota, wo ihm sogar ein Job angeboten wurde. Zu 60 Prozent schwerbehindert, ging er 1988 63-jährig in Rente.

"Ich würde so gerne mehr unternehmen, aber meine Beine machen nicht mehr mit." Zusammen mit seiner neun Jahre jüngeren Edith genießt er nun die Momente des späten Glücks.

(RP)
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