Hospizbewegung Ratingen Der Herzensöffner

Ratingen · Emilio ist ein Trüffelhund und hilft Sterbenden. Er spendet Menschen bei der Ratinger Hospizbewegung Trost und hilft dabei, Erinnerungen zu wecken. Das klappt gut.

 Trüffelhund Emilio

Trüffelhund Emilio

Foto: Achim Blazy

Es klingelt - doch er bellt nicht. Der glatte Laminatboden würde jeden Ausrutscher erklären - doch er tappst nicht, sondern kommt freundlich auf leichten Pfoten näher. Eine kurze Begrüßung mit ein paar Schwanzwedlern, dann rollt sich Emilio zusammen - und ruht komplett im Hier und Jetzt und in sich selbst. Dass sich das ganze Gespräch um ihn dreht, kratzt ihn wenig. Emilio ist ein cooler Hund.

Vor kurzem war eine Tiertrainerin besorgt, als Martina Rubarth Emilio zu einem dreitägigen Seminar über "Tiergestützte Begleitung" mitbringen wollte. Der Hund sei mit seinen acht Monaten doch viel zu jung dafür. Hinterher gab's ein dickes Lob für den weißgelockten Vierbeiner und sein Frauchen: So ein ausgeglichenes Tier sei selten.

Mit seinem durchweg freundlichen, geradezu verschmusten Wesen ist der Lagotto Romagnolo, der italienische Trüffelhund, binnen weniger Wochen zu einem der wichtigsten Tür- und Herzensöffner der Hospizbewegung Ratingen geworden. "Natürlich nur bei Leuten, die zuvor ausdrücklich erlauben, dass ich Emilio mitbringen darf", schränkt Martina Rubarth ein. Sie begleitet Personen in ihren letzten Lebenstagen und Trauernde, die sich just von einem geliebten Menschen verabschieden mussten.

Emilio baut Brücken

Da baut Emilio Brücken - allein durch seine pure Anwesenheit. Nur zu gern lässt er sich streicheln. Und schon gibt es neue Ansatzpunkte für ein Gespräch oder eine Erinnerung. Denn Hunde stehen bei Hundebesitzern für bestimmte Lebensabschnitte, für ein besseres "Früher". "Wenn ich Altersheime besuche, muss ich immer mehr Zeit einkalkulieren, seit Emilio mitkommt", sagt Martina Rubarth. Schon auf den Gängen eines Pflegeheims ist der Rüde oftmals die Tagesattraktion.

Natürlich hat seine Besitzerin zuvor mit der Heimleitung abgeklärt, dass Emilio so unbedenklich weiß daherkommt, wie er aussieht und durch sein speziell gelocktes Fell auch keinerlei allergische Reaktionen provoziert.

Das hat Martina Rubarth zuvor mit der Hilfe von zwei Allergikern innerhalb ihrer Familie getestet: keine ungewollte Reaktion, kein Jucken der Haut, keine Niesanfälle. Eine tierärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung zum Begleithund schafft letzte Klarheit.

Anwesenheit beruhigt aufgewühlte Seelen

Sobald alle Bedenken ausgeräumt sind, reicht oft schon, wenn der Hund einfach nur da ist. Das allein beruhigt aufgewühlte Seelen. Und so ein paar Streicheleinheiten später drehen sich Gespräche nicht mehr ausschließlich um Tod und Trauer. Dass ihr Trüffelhund mit sehr sicherer Nase erkennt, wer Hunde nicht mag, hat Martina Rubarth bereits beobachtet. "Wenn wir hier in unseren Räumen am Markt beispielsweise in einer Gruppe über Patientenverfügungen sprechen, geht Emilio zu diesen Menschen nicht hin."

Natürlich hat die hundeerfahrene Martina Rubarth durch eine konsequente Erziehung nachgeholfen. Noch immer geht sie regelmäßig in eine Hundeschule. Und natürlich ist Emilio kein Hund mit Superkräften, sondern hat auch schon mal seine dollen fünf Minuten, in denen eine Broschüre völlig zerfetzt wird, wenn es gerade sein muss.

"Doch wir sind beide viel draußen, an der frischen Luft und im Wald - das tut uns beiden gut", sagt die 58-jährige Sterbe- und Trauerbegleiterin, die auf ihrer Visitenkarte "Koordinatorin" stehen hat.

Dass die ständige Konfrontation mit dem schwierigsten aller Menschenthemen, dem Tod, Emilio aufs noch junge Gemüt schlagen könnte, glaubt Martina Rubarth nicht; auch wenn mal aus vollem Herzen und laut geweint wird. "Für mich sieht es so aus, als würde Emilio jede Situation so nehmen wie sie ist." Ein kluger Hund.

(RP)
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