Kreis Mettmann Heimat - wie gemalt

Kreis Mettmann · Raus aus den Ateliers und Akademien, hinein in die Welt, in die Natur - dieser neuen Losung der Malerei des 19. Jahrhunderts hat die Region ihre Verewigung in Öl zu verdanken.

Aus dem 19. Jahrhundert stammt das - damals noch von schroffen Felsen geprägte - Neandertal in Öl von Friedrich Wilhelm Schreiner.

Aus dem 19. Jahrhundert stammt das - damals noch von schroffen Felsen geprägte - Neandertal in Öl von Friedrich Wilhelm Schreiner.

Foto: Stiftung Neanderthal Museum

Wie jene französischen Maler in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die als Impressionisten in die Kunstgeschichte eingingen, zog es seinerzeit auch Oswald Achenbach (1827-1905) ins Freie. Schluss mit dem ewigen Kopieren alter Meister, dem Rückgriff auf antike Mythologie und biblische Erzählungen. Was Achenbach, der an der Kunstakademie Düsseldorf lehrte, bei der Arbeit unter freiem Himmel empfand, wollte er direkt auf die Leinwand bannen, wollte Sonne und Düfte malen, interessierte sich für Formen, Farben, Licht und Schatten. Er legte dieses Prinzip auch seinen Schülern ans Herz: "Probiert nicht im Atelier etwas zusammenzukomponieren, lauft hinaus und seht es euch an."

Auch in das 15 Kilometer von der Düsseldorfer Akademie entfernte Lintorf, heute ein Stadtteil von Ratingen, führte Achenbach den Nachwuchs - und setzte ihn dabei gleich selbst in Szene: "Partie am Waldbach" heißt die fein gestrichelte Skizze von 1865. Sie zeigt zwei ins Werk vertiefte Zeichner an einem Bach, in einem luftigen Wald gelegen. Ortskundige glauben, den Dickelsbach zu erkennen. Drei weitere Skizzen Achenbachs aus den 42 Blättern, die im Besitz des Museums Ratingen sind, tragen den Lintorfer Ortsvermerk. Oswald Achenbach zählt wie sein zwölf Jahre älterer Bruder Andreas zu den bekanntesten europäischen Landschaftsmalern im 19. Jahrhundert und war der Mittelpunkt der nicht nur regional bedeutsamen Düsseldorfer Malerschule. Deren Vertreter entdeckten damals auch das Neandertal, das seiner hohen Felsenklippen wegen "das Gesteins" genannt wurde, als Quelle der Inspiration. Junge Kunstmaler und ihre Lehrer feierten in der einstigen Neanderhöhle ausgelassene Feste und setzten die faszinierend schroffen Felswände, die es heute nicht mehr gibt, in Szene. Ein Bild davon kann man sich als Besucher des Düsseldorfer Stadtmuseums machen. Besonders beliebt war es offenbar, die Szenerie in Anlehnung an die einst populäre Schäferdichtung mit Schafen auszuschmücken, obwohl es dieses Idyll dort nie gegeben hat. Ebenfalls draußen, und zwar in seinem Monheimer Garten, malte August Deusser (1870-1942) einst Blumen, Beete und Wege. Aber nicht nur: Unter dem Titel "Monheim, um 1912" rückte er Wiesen und Bäume, aber sehr prominent auch die Produktionsgebäude der damaligen Krautfabrik Gethmann (heute Kulturzentrum Sojus 7) in den Blick. Schnöde Schornsteine also statt Schäfchen-Poesie in der Malerei. Allzu nah durfte ihm die Welt der Industrie allerdings auch nicht rücken: Die Zerstörung seines ländlichen Friedens habe Deusser nicht ertragen können, als "Industrie von dem Ort Monheim Besitz ergriff", heißt es. Gemeint waren die Mineralölwerke Rhenania, die damals ihre Raffinerie am Rheinufer aufbauten. Für den 7. November 1912 ist im Melderegister dann auch der Fortzug der Familie Deusser aus Monheim vermerkt.

Möglich gemacht hat die Maler-Ausflüge in die heimische Natur allerdings auch eine Industrie, denn es waren industriell gefertigte Farben - Ölfarben in Tuben -, ohne die Freiluftmalerei nicht denkbar gewesen wäre. Eines ihrer Kennzeichen: Bei Röntgen- und Infrarotaufnahmen impressionistischer Werke wurden Sandkörner oder Blumensamen unter Öl und Pastell entdeckt, was auf die Natur als Entstehungsort schließen lässt.

(RP)
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