Ratingen Erste Hilfe bei Räumungsklagen

Ratingen · Die Wohnungsnot hat stark zugenommen. Der SkF bekommt EU-Fördergelder für ein mobiles Beratungsteam.

 Die Sozialarbeiterinnen (v.l.) Manuela Neidinger, Jessica Schumacher und Melanie Etzien sind auch auf der Straße unterwegs, um Obdachlosen zu helfen.

Die Sozialarbeiterinnen (v.l.) Manuela Neidinger, Jessica Schumacher und Melanie Etzien sind auch auf der Straße unterwegs, um Obdachlosen zu helfen.

Foto: Achim Blazy

Die Zahl der Wohnungslosen oder von Obdachlosigkeit bedrohten Menschen steigt auch in Ratingen seit Jahren dramatisch an. Es fehlt an bezahlbarem Wohnraum. Das hat der Fachdienst Wohnungslosenhilfe des Sozialdienstes Katholischer Frauen (SkF) seit 2008 verzeichnet. Mithilfe von EU-Geldern sowie der Unterstützung des Bundes läuft seit Mai das Projekt "Mobile Wohnraumsicherung", kurz MoWing: Drei Sozialarbeiterinnen versuchen, auf der Straße, vor Ort und im neuen Büro in West, Betroffene in die bestehenden Hilfs- und Beratungsangebote einzubinden. Skf-Bereichsleiter Carsten Frese und sein Team stellten gemeinsam das neue Angebot vor.

Frese erinnerte daran, dass parallel zur Schuldnerberatung der Bereich Wohnungslosenhilfe seit mehr als 25 Jahren einen wichtigen Teil der SkF-Arbeit einnehme. Es gebe einen hohen Beratungsbedarf. Seit drei bis vier Jahren steigt die Zahl der Menschen, denen der durch hohe Verschuldung der Wohnungsverlust droht, massiv an. Die Miet- und Energieschulden haben stark zugenommen: Erst wird der Strom abgeklemmt, dann folgt die Räumungsklage. Das MoWing-Projekt versteht sich auch als eine Art "Erstversorgung", um Zwangsräumungen, manchmal in letzte Sekunde, zu verhindern. Die Sozialarbeiterinnen Jessica Schumacher, Manuela Neidinger und Melanie Etzien versuchen, die Räumung abzuwenden, indem sie die Betroffenen innerhalb von 24 Stunden aufsuchen, um gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten. Die Information, dass eine Räumung droht, kommt zum Beispiel vom Wohnungsamt oder dem zuständigen Gerichtsvollzieher.

Erst im vergangene Monat konnte das mobile Team verhindern, dass eine alleinerziehende Mutter mit ihren beiden Kindern auf die Straße gesetzt wurde. In diesem Fall wurde ein Antrag auf ein entsprechendes Darlehen beim Jobcenter gestellt, zwei Tage vorm Räumungstermin floss das Geld. Klar ist: In solchen Fällen muss eng mit der Schuldnerberatung zusammengearbeitet werden. Die Betroffenen haben meist den Überblick über das Ausmaß ihrer finanziellen Schieflage verloren. Die Schuldnerberatung hat im vergangenen Jahr etwa 220 Menschen geholfen und 1,1 Millionen Euro Fremdschulden verwaltet.

Die mobilen "Ersthelfer" haben seit Mai 54 Beratungsfälle gezählt und (alle) 22 Räumungsklagen abgewendet. Auch durch den steigenden Bekanntheitsgrad sei die Zahl der Fälle in den vergangenen zwei Monaten nochmals rasant angestiegen. Denn das Trio mit neuem Büro in der städtischen Notunterkunft Am Sandbach 22 arbeitet mit Streetworkern zusammen und sucht ihre Klientel auch selbst auf der Straße. Jeweils mittwochs stehen die Damen mit ihrem MoWing-Mobil auf dem Berliner Platz in West. In der kalten Jahreszeit gibt es dort auch warme Suppe von der Ratinger Tafel. Im Büro selbst sind sie dienstags von 9 bis 11 Uhr sowie donnerstags von 14 bis 16 Uhr anzutreffen.

Der enorme Anstieg der Fallzahlen, die in der Wohnungslosenhilfe verzeichnet werden - von 430 im Jahr 2011 auf 795 in 2015 -, habe unter anderem auch mit dem sinkenden Angebot an preiswertem Wohnraum zu tun, der die Bedingungen von Jobcenter und Sozialamt erfülle, sagen die SkF-Mitarbeiter. Auch sei die Nachfrage nach einer Meldeadresse - sie ist wichtig für Vermieter, Arbeitgeber und Bank - enorm angestiegen.

Angesichts der negativen Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt zeigt sich Frese hocherfreut darüber, dass man zu den deutschlandweit 88 Projekten gehöre, die aus Mitteln des "Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen" (EHAB) befristet auf drei Jahre gefördert werde.

"Wir haben uns mit viel Engagement in die Ausarbeitung des Antrages hineingeworfen", sagte Carsten Frese rückblickend. Insgesamt hatten sich bundesweit 190 Organisationen beworben. In anderen europäischen Ländern wird das EHAB-Fördergeld übrigens für Nahrungsmittel verwendet.

(JoPr)
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