Ratingen Erst kommt die Sprache, dann der Beruf

Ratingen · Die Integration der Flüchtlinge ist ein Prozess in vielen Schritten. Die RP sprach mit Zeliha Yetik und Samuel Awasum über die Bedeutung von Familie, Arbeit und einer eigenen Wohnung für die derzeit 1150 neuen Ratinger.

 Die Integrationsbeauftragte der Stadt Ratingen, Zeliha Yetik, und der Vorsitzender des Integrationsrates, Samuel Awasum, planen ihre Arbeit.

Die Integrationsbeauftragte der Stadt Ratingen, Zeliha Yetik, und der Vorsitzender des Integrationsrates, Samuel Awasum, planen ihre Arbeit.

Foto: Achim Blazy

Die Integration geflüchteter Menschen beginnt mit der eigenen Wohnung und dem ersten, selbst verdienten Geld. Da ist Ratingen mit seinen derzeit 1150 Flüchtlingen in vielen Details Vorbild innerhalb des Kreises Mettmann - und darüber hinaus. Darauf sind die städtische Integrationsbeauftragte Zeliha Yetik und Samuel Awasum, Vorsitzender des Ratinger Integrationsrates, stolz. So konnten bereits mehr als 550 Neu-Ratinger eigene Wohnungen beziehen und so der Gemeinschaftsunterkunft den Rücken kehren. Und die ersten Beispiele von gelungener Integration ins Berufsleben sind so weit gefestigt, dass die Integrationsbeauftragte Yetik im Jahr 2018 die Selbsthilfe der neuen Ratinger untereinander stärken möchte. "Dennoch haben wir noch eine Menge Integrationsarbeit vor uns", sagt Samuel Awasum.

Der gebürtige Kameruner war als Ratinger Karnevalsprinz die geglückte Eingliederung in Person und bekam im Januar 2017 gemeinsam mit Ehefrau und Prinzessin Jacinta sogar eine Einladung von Angela Merkel in Bundeskanzleramt. Diese Bekanntheit möchte er jetzt für einen Appell an die Politiker nutzen: "Es ist ganz wichtig, dass ein Familiennachzug möglich ist. Denn das ist eine Grundvoraussetzung für eine echte Integration", sagt Samuel Awasum. Ein Nachzugsverbot für Ehefrauen und Kinder mache alle Anstrengungen von vielen hundert Ehrenamtlern, Behörden, Schulen und Unternehmen zur Integration zu einem Stückwerk unter Vorbehalt. "Das müssen die Politikerinnen und Politiker verstehen", sagt Awasum.

Von der Ratinger Wirtschaft, der Industrie- und Handelskammer und den der Handwerkammer wünschen sich Awasum und Yetik ein wenig mehr Flexibilität. "Aus einer eigenen Untersuchung wissen wir, dass die Hälfte der Flüchtlinge in Ratingen jünger als 25 Jahre ist", sagt Zeliha Yetik. Und spricht von einem "enormen Potential, das genutzt werden sollte".

Allerdings seien Ämter, Standesorganisationen und Firmen sehr verliebt in Papiere, Zeugnisse, Arbeitsnachweise. Berufsbilder und Ausbildungswege seien mit den in Deutschland geltenden Standards kaum vergleichbar. "Besser wäre es, man würde den jungen Menschen aus Syrien, Afghanistan, Iran, Irak eine Chance geben, ihre praktischen Fähigkeiten zu zeigen", schlägt Awasum vor.

Grundvoraussetzung für eine solche Eingliederung in den Arbeitsmarkt sind allerdings Deutschkenntnisse. "Das mache ich immer wieder klar, sobald mir Geflüchtete berichten, dass die deutsche Sprache nur schwer zu erlernen ist", sagt Awasum. Auch er habe anfangs seine Probleme beim Spracherwerb gehabt. Doch ohne dem gehe es gar nicht. Nach Auskunft von Marcus Kowalczyk, dem Leiter der Agentur für Arbeit Mettmann, brauchen Geflüchtete zu einer dauerhaften Arbeitsaufnahme mindestens einen erfolgreich absolvierten Sprachtest der Kategorie B2 , um Sicherheitsregeln und Arbeitsanweisung auf Anhieb verstehen zu können.

Zugleich hat die Integrationsbeauftragte Zeliha Yetik bereits erfahren, dass sich Erfolgsgeschichten gar nicht oder nur sehr zurückgenommen erzählen ließen. "Einige Handwerksmeister und Unternehmer haben Angst, dass selbst eine gelungene Integration den Neid wecken und für schlechte Stimmung in Teilen der eigenen Belegschaft sorgen könnte."

Dass die Integration in den Arbeitsmarkt funktioniert, kann man auch am Beispiel der Ratinger Feuerwehr sehen. Im Anschluss an ein Volontariat konnte ein syrischer Flüchtling übernommen werden.

Die Stadt und der Integrationsrat haben sich für 2018 vorgenommen, für mehr Begegnungen zu sorgen. Aktionen zur "Internationalen Woche gegen Rassismus" (12. bis 25. März 2018) sollen aufkeimendem Rechtsextremismus die klare Kante zeigen. Das Fest der Kulturen wird im August 2018 vielen Gruppen und Vereinen die Gelegenheit bieten, sich der Ratinger Öffentlichkeit vorzustellen. Der neue Flüchtlingsberater Benjamin Dietrich und der Integrationsrat wollen mit der Aktion "Familienbande ohne Grenzen" für Begegnungen sorgen. So sollen zum Beispiel vor den tollen Tagen alte und neue Ratingen gemeinsam an Kostümen nähen und basteln. Aus der Sicht von Zeliha Yetik und Samuel Awasum ist dies der beste Weg, dumpfe Vorurteile erst gar nicht entstehen zu lassen.

(RP)
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